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Advanced Air Mobility: Die Zukunft der Luftfahrt und einzigartige Chancen für die Schweizer Industrie

Advanced Air Mobility ist ein wichtiger Teil der zukünftigen Mobilitäts- und Aerospace-Landschaft. Das Potenzial ist weitreichend und kann viele Aspekte des täglichen Lebens positiv beeinflussen. Gleichzeitig eröffnet es einen vielversprechenden Wachstumsmarkt für die Schweizer Industrie. Dr. Erik Linden von Orbit Management Services zu den Entwicklungen, Risiken und der Rolle der Schweiz in diesem Thema.

Advanced Air Mobility: Wovon reden wir hier eigentlich genau?

Erik Linden: Advanced Air Mobility (AAM) bezeichnet den Einsatz von fortschrittlicher Luftfahrttechnologie für den Transport von Personen und Gütern sowie für industrielle Anwendungen. Damit geht das Thema AAM weit über die viel diskutierten Personen-Anwendungen hinaus und bietet ein vielfältiges Anwendungsspektrum.

Können Sie das genauer ausführen. Was macht das Thema Advanced Air Mobility relevant?

Advanced Air Mobiltiy unterstützt ein neues Zeitalter in der Luftfahrt, welches ökologisch und digital ist. Durch Fortschritte in Grundlagentechnologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik, neue Antriebstechnologien (Elektrifizierung & Wasserstoff) und intelligente Energie- und Speichertechnologien, werden neue Luftfahrt-Architekturen und diversere Anwendungen möglich.

Insbesondere in urbanen und sub-urbanen Umgebungen und in dicht besiedelten Regionen bieten AAM Mobilitäts- und Logistik-Anwendungen nachhaltige und effiziente Möglichkeiten, wie z.B. für die Lieferung von Laborproben oder sicherheitskritischen bzw. zeitkritischen Gütern. Zudem bieten AAM-Industrie-Anwendungen, wie z.B. die Inspektion von Stromtrassen, die Überwachung von Gefahrenbereichen oder der Schutz von Natur und Umwelt effiziente, kostengünstige und nachhaltige Möglichkeiten als Ergänzungen oder Ersatz von herkömmlichen Methoden.

Wir beobachten aktuell, dass trotz einer allgemeinen Skepsis gegenüber AAM in der kurzen Sicht, langfristig durchweg positive Entwicklungen erwartet werden, wobei Logistik- und industrielle Anwendungen als besonders relevant und nützlich betrachtet werden.

Welche aktuellen Entwicklungen beeinflussen AAM?

Es gibt mehrere Treiber, welche die Entwicklung von AAM massgeblich bestimmen:

  • Wachsendes Umweltbewusstsein und die Suche nach emissionsarmen Lösungen in der Luftfahrt und für industrielle Anwendungen.
  • Bevölkerungswachstum, besonders im städtischen Bereich, was den Bedarf an effizienten Transportmöglichkeiten von Menschen und Gütern erhöht.
  • Regulatorische Fortschritte, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit und Integration von neuen Technologien wie Drohnen in den bestehenden Luftraum.
  • Technologische Innovationen, besonders bei der Elektrifizierung, Konnektivität und autonomen Systemen.

Was ist bisher in der Schweiz und Europa passiert?

Die Schweiz wird nicht umsonst oft als «Silicon Valley of Robotics and Drones» bezeichnet. In den letzten Jahren hat sich eine florierende und stark wachsende Start-up- und Industriebasis gebildet, welche international grosse Anerkennung erfährt.

Das hängt damit zusammen, dass die Schweiz beim Thema AAM eine internationale Vorreiterrolle einnimmt und in europäischen und internationalen Gremien an der regulatorischen, technologischen und politischen Weiterentwicklung und Implementierung des Themas mitarbeitet. Unter anderem durften wir als Orbit Management Services stellvertretend für das Swiss Aerospace Cluster und die European Aerospace Cluster Partnership (EACP) bei der Erstellung der «Drohnenstrategie 2.0 für Europa» aktiv mitarbeiten und so den zentralen Rahmen für das Thema mitgestalten. Die entwickelte Strategie soll es ermöglichen, ein dynamisches und tragfähiges AAM-Ökosystem zu entwickeln, dezidierte Fokusbereiche (u.a. innovative Luftmobilität, gesellschaftliche Akzeptanz, Stärkung der Fähigkeiten und Synergien in der Zivil-, Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und Drohnenabwehr) zu adressieren und Fördertöpfe zu stärken bzw. neu zu bilden.

Durch die aktive Rolle der Schweizer Akteure konnten schon viele, zentrale Entscheidungen getroffen werden, u.a. ein umfassender Rechtsrahmen für AAM, die Förderung der Entwicklung zentraler Bausteine des Drohnen-Managementsystems (U-Space) und die Entwicklung der AAM-Industrie und des Marktes für AAM-Anwendungen in Europa und der Schweiz.

Welches Marktpotenzial sehen Sie in den nächsten 5 – 10 Jahren für Firmen in der Schweiz?

Der AAM-Markt birgt ein enormes Potenzial für Schweizer Firmen. Besonders in der Soft- und Hardware-Entwicklung, der Herstellung und Produktion sowie bei Dienstleistungen (z.B. Training & MRO) entstehen signifikante Chancen. Nicht nur traditionelle Luftfahrtunternehmen, sondern auch Start-ups, Technologieunternehmen, Logistikanbieter und diverse Anwender im privaten (z.B. Bau & Energie) und öffentlichen Bereich (z.B. Städte & Gemeinden), sollten das Potenzial von AAM deshalb erkunden und nutzen.

Durch die starke Technologie- und Innovations-Basis und eine international renommierte und etablierte Luftfahrt-Zulieferindustrie in der Schweiz, sehe ich besondere Möglichkeiten, vom Wachstum im AAM-Markt zu profitieren und die Potenziale in der Anwendung zu nutzen. Somit ist AAM ein wesentlicher Zukunftsfaktor und eine Chance für die Innovationsfähigkeit und -freundlichkeit der Schweiz.

Wo orten Sie Risiken?

In unserem AAM Risk Report 2023 haben wir die wichtigsten Risiken für die kurze (2 Jahre) und lange Frist (10 Jahre) mit einem Panel von 159 Experten aufgearbeitet. Grundlegend lässt sich sagen, dass kurz- und langfristig die grössten Risiken im regulatorischen Umfeld zu finden sind (u.a. Luftraum-Integration, Zertifizierung). Die Resultate unseres Berichts zeigen aber auch, dass es technologische (z.B. Batterietechnologie, Autonomie & Avionics, Produktionsaufbau für eine Skalierung) und gesellschaftspolitische Risiken (z.B. soziale Akzeptanz) gibt, welche gelöst werden müssen, sodass AAM eine wichtige Rolle für die Wirtschaft und Gesellschaft spielt. Die Erfahrungen von etablierten und zertifizierten Luftfahrt-Akteuren, z.B. aus der Zulieferindustrie, können bei der Adressierung dieser Risiken eine zentrale Rolle spielen und der dynamischen und von Start-ups geprägten AAM-Industrie Orientierung geben. 

Darüber hinaus existieren Risiken beim Bau, Betrieb und der Finanzierung von digitalen und physischen Infrastrukturen, welche kollaborativ zwischen öffentlichen und privaten Akteuren gelöst werden müssen. Der aktuelle Fokus in der Finanzierung der AAM-Industrie liegt noch auf den Luftfahrzeugen selbst (hauptsächlich auf Passagieranwendungen, auch eVTOLs genannt), wobei er sich zwingend auf andere Anwendungen sowie die Entwicklung des Ökosystems (u.a. Infrastruktur & Services) verlagern muss und wird.

Und zum Schluss: Haben Sie konkrete Tipps für die Gestaltung eines nachhaltigen AAM-Ökosystem in der Schweiz?

Es wird auf drei zentrale Punkte ankommen:

  1. Technologische Vorreiterrolle ausbauen: Kontinuierliche Investition in Forschung und Entwicklung, um mit neuesten Technologien beispielsweise bei der Elektrifizierung und Autonomie international Schritt zu halten und internationale Standards zu setzen.
  2. AAM als integralen Bestandteil sehen: Integration von AAM in die gesamte Luftfahrt-, Mobilitäts- und Logistikkette fördern, um synergetische Effekte zu nutzen und ganzheitliche Lösungen anzubieten.
  3. Netzwerke und Kooperationen stärken: Festigung und Ausbau starker Beziehungen zwischen Regulierungsbehörden, der Politik und der Industrie, um die Entwicklung des AAM-Ökosystems strategisch abzustützen.

Um diese Ziele zu erreichen, ist es entscheidend, dass alle Akteure mit einer klaren Vision und einem starken Engagement zusammenarbeiten. Von der öffentlichen Seite benötigt es nun vor allem strategische Klarheit und selektive, finanzielle Unterstützung. Nur so können innovative und nachhaltig erfolgreiche Lösungen entwickelt und die führende Rolle der Schweiz in der AAM-Industrie beibehalten und ausgebaut werden.

Hintergrundinformationen

Dr. Erik Linden gründete 2021 gemeinsam mit Clemens Kürten die Beratungsboutique Orbit Managment Services. Orbit bietet Dienstleistungen an, die sich an Start-ups, Unternehmen und Regierungen richten und sich auf die Exploration, Entwicklung und Skalierung fortschrittlicher Technologien in der Aerospace-Industrie konzentrieren.

Orbit veröffentlichte u.a. den «Advanced Air Mobility – Risk Report 2023», der einen analytischen und ganzheitlichen Blick auf die Risikolandschaft der Advanced Air Mobility Industrie bietet (Download hier).

 

 

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Letzte Aktualisierung: 08.11.2023