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«Die Nationalbank kann und wird die Euro-Untergrenze halten»

Swissmem-PrÀsident Hans Hess nimmt im Interview Stellung zu der Frage, warum die SNB die Euro-Untergrenze verteidigen soll.

Was sagen Sie zur EinschĂ€tzung von Oswald GrĂŒbel und anderer Exponenten, dass sie den Schweizer Franken gegenĂŒber dem Euro nicht ĂŒber 1.20 halten wird können?
Ich teile diese EinschÀtzung nicht. Ich vertraue der SNB, dass sie die Untergrenze halten kann und halten wird. Solche Aussagen verunsichern die Leute enorm, laden die Spekulanten geradezu ein und machen die Verteidigung von 1.20 dadurch umso schwieriger und teurer.
GemÀss Medienmitteilungen verlangt auch der Gewerbeverband eine Exit-Strategie. Was sagen Sie dazu?
Die Exportindustrie ist ein wichtiger Kunde fĂŒr viele Gewerbebetriebe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Interesse des Gewerbes in der Schweiz ist, wenn die Industrie wegen eines noch stĂ€rkeren Frankens nicht mehr konkurrenzfĂ€hig ist und weg geht. Die Gewerbler werden bei einem noch stĂ€rkeren Franken den Druck von auslĂ€ndischen Konkurrenten auch noch mehr zu spĂŒren bekommen. Ich verstehe den Gewerbeverband wirklich nicht.
Man spricht von 66 Mrd. Franken, die die SNB in den vergangenen Monaten zur Verteidigung der Untergrenze einsetzen musste. Macht das Ihnen keine Sorgen?

Im Licht der Verunsicherung in Europa in den letzen zwei Monaten ist es nicht erstaunlich, dass die SNB massiv Franken verkaufen und Euro kaufen musste. Das kostet die SNB aber nichts, solange der Kurs bei 1.20 gehalten werden kann. Vor dieser Bilanzausweitung der SNB muss man deshalb auch keine Angst haben. Sie war zu erwarten. Die SNB darf jetzt keinesfalls die Nerven verlieren und die gesamte Politik muss unbedingt einen kĂŒhlen Kopf behalten.
Aber die SNB kann doch diese Strategie nicht ewig durchhalten.
Doch, das kann sie und das sollte sie auch tun. Eine Notenbank sollte ihre einmal eingeschlagene Strategie nicht einfach aufgeben. Teuer wĂŒrde es fĂŒr die ganze Volkswirtschaft und die SNB nĂ€mlich erst dann, wenn die Untergrenze nicht gehalten werden kann. Die SNB mĂŒsste die Euro-BestĂ€nde abwerten und die Abwertung als Verlust verbuchen. Und noch grösser wĂ€ren die volkswirtschaftlichen Kosten fĂŒr die Realwirtschaft. Deshalb muss die Devise heissen: die SNB muss Kurs halten und die Politik muss ihr dabei den RĂŒcken stĂ€rken! Das ist das beste Rezept gegen Spekulanten und andere Probleme.
Was wĂŒrde passieren, wenn die SNB die Untergrenze aufgeben wĂŒrde?
Aufgrund der grossen Unsicherheiten an den internationalen FinanzmĂ€rkten mĂŒssten wir damit rechnen, dass der Franken wieder massiv aufgewertet wird. Wenn ich die Panikstimmung unter den HĂ€ndlern ansehe, dann erinnert mich das stark an Juli und August 2011. Damals fiel der Frankenkurs innert kĂŒrzester Zeit auf ParitĂ€t zum Euro. Die Konsequenzen fĂŒr die Exportindustrie wĂ€ren fatal. Noch viel mehr Firmen wĂŒrden in die Verlustzone geraten.
Hat die Industrie eine Strategie bereit, wenn die Verteidigung der Untergrenze aufgegeben wĂŒrde?
Ich weiss, dass die Unternehmen der SNB vertrauen. Aber nach den Ereignissen des letzten Augusts dĂŒrften die meisten Firmen Notfallszenarien erarbeitet haben. Eines ist klar: eine weitere Aufwertung des Frankens wĂŒrde noch viel mehr Firmen in die Verlustzone treiben. Ein Teil der Firmen wĂ€re gezwungen, ihr GeschĂ€ft aufzugeben. Andere mĂŒssten noch mehr im Ausland einkaufen und zahlreiche Firmen wĂŒrden beschleunigt ArbeitsplĂ€tze ins Ausland verlegen.
Der Franken scheint sich in absehbarer Zeit sicher nicht abzuwerten, auch wenn die Untergrenze weiter verteidigt wird - was bedeutet dies fĂŒr die Schweizer Industrie?
Die Industrie hat die harte Pille der 1.20 zum Euro geschluckt und ist daran, diese zu verdauen. Durch die höhere Inflation in Europa wird sich die KaufkraftparitĂ€t von heute rund 1.35 in den nĂ€chsten Jahren gegen 1.20 absenken. Das wĂŒrde den Firmen wieder gleichlange Spiesse wir ihre auslĂ€ndischen Konkurrenten geben.
Wie viele ArbeitsplÀtze sind gefÀhrdet?
Das kann ich nicht sagen. Aber bei einer weiteren raschen und massiven Aufwertung des Frankens sind potenziell die exportierenden Industrien wie Maschinen-, Elektro-, Metall- aber auch Chemie-, Pharma-, Biotech-, Papier- und Textilindustrie sowie der Tourismussektor gefÀhrdet.
Ökonomen meinen, dass wegen der Eurokrise und der damit verbundenen Inflation die KaufkraftparitĂ€t sinkt. Was heisst es fĂŒr die Industrie, wenn sich die KaufkraftparitĂ€t tatsĂ€chlich den 1.20 annĂ€hert?
Falls sich die KaufkraftparitĂ€t in den nĂ€chsten Jahren 1.20 annĂ€hert und der Wechselkurs stabil bleibt, dann wĂŒrde sich das positiv auf die WettbewerbsfĂ€higkeit der Schweizer Exporteure auswirken.
Inwiefern spĂŒrt die Schweizer Industrie die Eurokrise? (Jan-Egbert Sturm meinte heute im Tages-Anzeiger, dass es der Schweizer Wirtschaft ausgezeichnet gehe)

Ja, im Vergleich zu anderen LĂ€ndern geht es der Schweizer Wirtschaft gut. Die Schweizerinnen und Schweizer stĂŒtzen mit ihrem Konsum die Konjunktur und die Baubranche und die Baunebenbranchen leben sozusagen im Schlaraffenland. Aber den erwĂ€hnten exportorientierten Branchen wie der Industrie und dem Tourismus geht es schlecht.
Im vergangenen Herbst warnten sie noch vor einem massiven Stellenabbau auf Anfang 2012. Dieser blieb glĂŒcklicherweise aus. Weshalb kam es doch nicht so schlimm wie sie erwartet hatten?
Vor der Festlegung des Mindestkurses von 1.20 durch die SNB musste die Industrie wirklich das Schlimmste befĂŒrchten. Der Mindestkurs hat die Situation beruhigt und StabilitĂ€t gebracht. Zudem haben die Industriefirmen schon seit 2009 gehandelt und viele Massnahmen getroffen, um der zunehmenden FrankenstĂ€rke zu begegnen. Diese haben sich positiv ausgewirkt. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Weltwirtschaft seit Herbst 2011 weniger stark abgekĂŒhlt hat als damals erwartet. Wenn ich jedoch in die nahe Zukunft blicke, bin ich nicht mehr so optimistisch. Die AuftragseingĂ€nge in der MEM-Industrie sind seit einem Jahr zum Teil deutlich rĂŒcklĂ€ufig. Und der PMI, ein wichtiger Vorausindikator liegt zurzeit europaweit unter der Wachstumsgrenze von 50%. Das sind schlechte Vorzeichen.

Letzte Aktualisierung: 11.06.2012