In der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz wird seit dem Jahre 2000 festgehalten, dass Firmen in ihren Verzeichnissen und Unterlagen die geleistete (tägliche und wöchentliche) Arbeitszeit inklusive Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie ihre Lage oder die Lage und Dauer der Pausen von einer halben Stunde und mehr festhalten müssen (Art. 73 Abs. 1 lit. c ff.). Während langer Zeit gaben diese Bestimmungen kaum zu Diskussionen Anlass.
Verschiedene, zum Teil prominente Verstösse gegen diese Vorschriften machten auf das Thema aufmerksam, wobei insbesondere die Finanzbranche im Fokus steht. So kam es z.B. zu einem Pilotprojekt bei verschiedenen Banken, in dem unter dem Titel «Vertrauensarbeitszeit» alternative und eben doch arbeitsgesetzkonforme Wege der Arbeitszeiterfassung evaluiert wurden.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO plant nun, mittels einer Ergänzung in der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz die Möglichkeit zu schaffen, dass gewisse Kategorien von Mitarbeitenden künftig von der gesetzlich vorgeschriebenen Erfassung der Arbeitszeit befreit werden können. Der Vorschlag sieht vor, dass Arbeitnehmende mit einem jährlichen Bruttoerwerbseinkommen von mehr als CHF 175‘000.00 sowie im Handelsregister eingetragene zeichnungsberechtigte Angestellte auf die Arbeitszeiterfassung verzichten können.
Im Rahmen der Anhörung hat sich Swissmem kritisch zum Vorschlag des SECO geäussert, obwohl es grundsätzlich begrüssenswert ist, dass man in dieser Sache nun tätig wird. Gleichzeitig kritisierte Swissmem die vorgeschlagene Lohnuntergrenze von CHF 175'000 als viel zu hoch. Eine solche Summe ist für die MEM-Industrie kaum von Relevanz und somit weitestgehend nutzlos. Die Attraktivität des Werk- und Denkplatzes Schweiz würde damit fraglos geschmälert. Sinnvoller und für die MEM-Industrie angepasster wäre die Festsetzung bei der aus dem Sozialversicherungsrecht bekannten und etablierten Lohnhöhe von CHF 126'000.
Weiter wünscht sich Swissmem die Möglichkeit, auf der Ebene der betrieblichen Mitwirkung eine branchen- bzw. firmenspezifische Lösung treffen zu können. Nahe liegend wäre, den betrieblichen Sozialpartnern den entsprechenden Spielraum zu gewähren.
Swissmem tritt auch im weiteren Verlauf dieses Prozesses für eine liberale Regelung und/oder Handhabung der Arbeitszeiterfassung ein.
Kommentar
Es ist unbestritten, dass die Vorschriften der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz verschiedenenorts in der heutigen Arbeitswelt ihre Berechtigung verloren und wenig mit der Realität zu tun haben. Unter diesen Umständen ist es richtig, grundsätzliche Fragen zu stellen.
Was heisst letztlich «Vertrauensarbeitszeit»? Kerngedanke ist wohl eine Arbeitsorganisation, bei der die Erledigung vereinbarter Aufgaben im Vordergrund steht, nicht die zeitliche Präsenz des Arbeitnehmers. Auf eine minutiöse Notierung der Arbeitszeit wird dabei verzichtet. Es ist ein Modell der Arbeitsorganisation, nicht der Arbeitszeit, und der Arbeitnehmer ist selbst für die Gestaltung der Arbeitszeit verantwortlich.
Mitarbeitende mit Vertrauensarbeitszeit dürften in aller Regel mittels Zielvereinbarungen geführt werden. Dies heisst aber, dass die zur Verfügung stehenden Zeitressourcen auch realistisch sind. Anderseits machen Zielvereinbarungen bei vielen Funktionen keinen Sinn, weshalb «Vertrauensarbeitszeit» dort auch nicht die richtige Arbeitsorganisation sein kann.