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«Für kleinere Betriebe wirds sehr hart»

Interview mit Peter Dietrich, Direktor Swissmem, in der «Zentralschweiz am Sonntag» vom 16.10.2011

NLZ: Peter Dietrich, für wie lange ermöglicht der derzeitige Eurokurs von 1,20 Franken den Betrieben der Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie eine Verschnaufpause?

Peter Dietrich: Die Mehrheit der Unternehmen hat signalisiert, dass dieser Kurs auf Dauer nicht reichen wird. Die Widerstandskraft der Unternehmen ist aber sehr unterschiedlich. Gerade kleinere, stark exportorientierte Unternehmen mit hoher Wertschöpfung und grossem Kostenblock in der Schweiz haben es enorm schwer. Sie können über den Einkauf nur einen Teil der Margeneinbrüche wettmachen. Grundsätzlich gibt das Wechselkursziel den Firmen Planungssicherheit bei der Budgetierung und dem Erstellen der Offerten. Allerdings schätzen wir, dass mittlerweile über ein Drittel unserer Mitgliedsbetriebe operative Verluste schreiben.

NLZ: Das heisst, die Mehrzahl Ihrer Mitgliedsunternehmen prüft dennoch einschneidendere Massnahmen, um mit der jetzigen Währungssituation fertig zu werden?

Peter Dietrich: Das ist so. Da geht es um Teilverlagerungen der Produktion oder die Verlagerung von Investitionen ins Ausland oder z.T. bestehen zur Zeit die Möglichkeiten für Investitionen gar nicht mehr. Das kostet Arbeitsplätze. Das Staatssekretariat für Wirtschaft prognostiziert darum steigende Arbeitslosigkeit für 2012. Ich halte einen Verlust von 2 bis 3 Prozent der Arbeitsplätze in der Industrie für realistisch, das sind 10000 bis 15000 Stellen. Auch hier: Die kleineren Betriebe haben kaum Möglichkeiten, ins Ausland zu verlagern. Für diese Unternehmen wird es sehr hart. Hier wird es in den nächsten Monaten Hiobsbotschaften geben.

NLZ: Wie wettbewerbsfähig sind die Unternehmen Ihrer Branche auf Dauer bei diesem Wechselkurs?

Peter Dietrich:  Vor zehn Jahren hatte die Schweizer Industrie beispielsweise mit den lokalen Lohnstückkosten eine rechte gute Ausgangslage. Durch Kostensteigerungen und die starke Aufwertung des Frankens sind wir mittlerweile bei den Lohnstückkosten so wettbewerbsfähig wie Griechenland. Wir haben seit 2007 den steilsten Anstieg aller europäischen Länder und liegen mittlerweile deutlich hinter Frankreich, Deutschland und Italien.

NLZ: Alles deutet auf eine Verlangsamung des Wachstums im kommenden Jahr hin. Wie ist die derzeitige Auftragslage in der MEM-Industrie?

Peter Dietrich: Der Auftragseingang war im zweiten Quartal rückläufig. Wir rechnen damit, dass sich dieser Trend nächstes Jahr fortsetzt, vielleicht durchsetzt von vorübergehenden Anstiegen. Die Phase, in der Unternehmen (Anmerkung der Redaktion: Offiziell bekannt sind in der Branche rund 30 Fälle) mit Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich ihre Produktivität erhöht haben, könnte bald schon auslaufen, weil die Kapazitäten aufgrund der Auftragslage nicht mehr ausgelastet werden können. Wir verzeichnen einen leicht höheren Bedarf an Beratungen zum Thema Kurzarbeit, hier nimmt das Interesse zu.

NLZ: Haben bereits Betriebe Kurzarbeit angemeldet?

Peter Dietrich: Mir sind derzeit rund ein Dutzend Fälle bekannt. Wir hoffen hier auch noch auf weitere Signale des Bundesrates.  Ab kommendem Jahr kann ein Unternehmen maximal 12 Monate kurz arbeiten lassen. Wir haben darum vorgeschlagen, dass diese Periode wieder auf 18 Monate verlängert wird.

NLZ: Wie gross die Geduld Ihrer Mitgliedsbetriebe in Sachen Frankenstärke. Ich denke, dass viele Unternehmen auf eine deutliche Erhöhung des Wechselkurszieles hoffen.

Peter Dietrich: Unsere Branche ist gewohnt zu kämpfen. Wir sehen die Gefahr, dass nach die Politik nach dem Wahlkampf zur Tagesordnung übergeht.. Dank der Intervention der Nationalbank gab es in der MEM-Industrie eine kurze Phase des Aufatmens. Aber das war nur eine Etappe auf dem Weg zur Kaufkraftparität von 1,30 bis 1,40 Franken. Der Bedarf nach einem nächsten Signal ist aus unserer Sicht gegeben. Und das in mehreren Branchen in der Schweiz. Sektoren, die einen gewichtigen Anteil an der Schweizer Wirtschaftsleistung erbringen wie der Tourismus, die Pharmaindustrie, auch die Finanzbranche, alle leiden unter dem starken Franken. Bleibt die Situation wie sie ist, frage ich mich, woher das Wachstum der Schweiz in den nächsten zwei Jahren kommen soll. Mit einem Kurs von 1,20 bis 1,25 Franken bin ich da eher pessimistisch.

NLZ: Ein Schuldenschnitt für Griechenland wird immer wahrscheinlicher Das könnte den Euro massiv schwächen und den Franken erneut stark aufwerten. Was würde das für Ihre Branche bedeuten?

Peter Dietrich: Ein unkontrollierter Schuldenerlass wäre heikel. Ja, das könnte zu einer weiteren, massiven  Aufwertung des Frankens führen. Gepaart mit einer möglicherweise weltweiten Rezession würde das die Schweizer Exportindustrie vor schier unlösbare Aufgaben stellen. Mit solch einem Szenario wollen und dürfen wir uns nicht abfinden.