Vor 75 Jahren kam am 19. Juli 1937 das «Friedensabkommen» in der MEM-Industrie zustande. Verschiedene Verbände haben damals eine neun Artikel umfassende Vereinbarung unterzeichnet, bei der sich alle Parteien auf eine absolute Friedenspflicht einigten. Überdies wurde ein verbindliches Verhandlungsprozedere eingeführt, um allfällige Konflikte in einem geregelten Verfahren konstruktiv zu lösen. Hierbei galt der Grundsatz, Meinungsverschiedenheiten und allfällige Streitigkeiten in erster Linie auf betrieblicher Ebene zu lösen und erst bei einer fehlgeschlagenen Einigung die Vermittlung der Verbände zu beanspruchen.
Die Initiative für eine Annäherung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ging damals von Konrad Ilg aus, Nationalrat und Präsident des SMUV (Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiter-Verband). Er leitete ein Treffen mit Ernst Dübi, dem Präsidenten des ASM (Arbeitgeberverband der Schweizerischen Maschinenindustrie) und Chef der von Roll AG, in die Wege. Kontakte waren zwar früher schon geknüpft worden, blieben jedoch durch verschiedene Arbeitskonflikte wie den Generalstreik 1918 belastet.
Das Misstrauen gegenüber den gewerkschaftlichen Ambitionen war auf Arbeitgeberseite zunächst gross. Doch mit dem dreifachen Druck der politischen Bedrohung aus den totalitären Nachbarländern, der andauernden wirtschaftlichen Krise und des bundesrätlichen Planes einer amtlichen Zwangsschlichtung von Lohnstreitigkeiten wuchs allseits die Überzeugung, dass ein Interessenausgleich auf Verhandlungsweg für alle Parteien von Vorteil war.
Im Laufe der Zeit hat sich der Inhalt der Vereinbarung in der MEM-Industrie stark gewandelt. Das erste Abkommen beinhaltete keine Regelungen, die den heutigen gesamtsarbeitsvertraglichen Bedingungen (Arbeitszeit, Ferien und Feiertage, Salärzahlungen bei Krankheit und Unfall) entsprachen. Geblieben sind jedoch die Kernelemente des absoluten Arbeitsfriedens, eines eingespielten Konfliktregelungsmodells, der betrieblichen Mitwirkung der gewählten Arbeitnehmervertretungen sowie der zentrale Aspekt der betrieblichen Lösungsfindung beispielsweise bei den Lohnrunden.
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft sind sich grundsätzlich einig, dass der heutige GAV gute und zeitgemässe Arbeitsbedingungen beinhaltet. Insbesondere die absolute Friedenspflicht und damit die Zusicherung, dass der Arbeitsablauf nicht durch Kampfmassnahmen gestört wird, stellen auch heute noch einen wichtigen Konkurrenzvorteil gegenüber ausländischen Produktionsstandorten dar.
Diesem wichtigen GAV sind derzeit rund 560 Firmen mit insgesamt etwa 97'000 Mitarbeitenden unterstellt. Am 30. Juni 2013 läuft die Geltungsdauer der aktuellen Vereinbarung in der MEM-Industrie aus und neue Verhandlungen stehen an.
Meilensteine des GAV
1939 Einführung von bezahlten Ferien
1944 Beteiligung der Arbeitgeber an der Krankengeldversicherung der
Arbeitnehmer
1949 bezahlte Absenzen bei Heirat, Geburt und Todesfall
1959 Vertragliche Vereinbarung von freien Samstagen
1969 Verabredung über Freizügigkeitsleistungen aus Arbeitgeberbeiträgen bei
Austritt aus Vorsorgeeinrichtungen
1974 Verabredungen über die Mitwirkung der Arbeitnehmenden im Betrieb und über das Vorgehen bei Betriebsschliessungen
1988 Einführung der 40-Stunden-Woche
1998 Einführung der Jahresarbeitszeit (2080 Stunden)