Ausgangslage
Eine Swissmem-Mitgliedfirma hat im Sommer 2010 den Grenzgängern im Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen und insbesondere als Massnahme gegen die andauernde Frankenstärke eine vorübergehende Lohnreduktion vorgeschlagen. Diese Lohnreduktion war dabei so bemessen worden, dass den Grenzgängern immer noch ein währungsbedingter Mehrbetrag in Euro resultierte und sie somit keine Einbusse in ihrer Kaufkraft erleiden mussten. Die Umsetzung dieser Vertragsänderung erfolgte mittels Änderungskündigungen. Sechs von total 120 Grenzgängern waren mit den neuen Vertragsbedingungen nicht einverstanden, worauf ihr Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde. Diese Kündigungen wurden von den Betroffenen gerichtlich angefochten.
Am 31. Januar 2012 hat nun das Bezirksgericht Arlesheim als erste Instanz die Frage entschieden, ob das Vorgehen des Arbeitgebers aus rechtlicher Sicht korrekt war. Es ist nicht zu Auszahlungen der Löhne in Euro gekommen, weshalb dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens war.
Gerichtliche Beurteilung der ersten Instanz: Lohnreduktion nur bei Grenzgängern ist nicht erlaubt
Das Gericht hat sein Urteil unter dem Titel des Sozialschutzes zugunsten der Mitarbeitenden gefällt. Dabei wurde leider dem Verbot einer Ungleichbehandlung von Grenzgängern und Schweizern mehr Gewicht gegeben, als der vom Unternehmen angestrebten Gleichbehandlung bezüglich der konkreten Lebenshaltungskosten der betroffenen Grenzgänger im Vergleich zu ihren Arbeitskollegen mit Wohnsitz in der Schweiz. Das Gericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber durch die Reduktion der Löhne der Grenzgänger diese indirekt diskriminiert und damit gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU verstossen hat.
Im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung wurde aber auch erwähnt, dass man sich bewusst sei, dass Unternehmen in der jetzigen währungsbedingten Situation Massnahmen ergreifen müssten. Das Gericht gab zudem zu bedenken, dass die nun durch den Gerichtsentscheid auszurichtenden Entschädigungen nur zu einer kurzfristigen Befriedigung der Arbeitnehmer führen werde und in jedem Fall einvernehmliche Lösungen vorzuziehen seien.
Position Swissmem
Die rechtliche Beurteilung einer Lohnreduktion nur bei Grenzgängern ist stark umstritten, weshalb Swissmem die Mitgliedfirmen auf dieses Prozessrisiko hingewiesen hatte. Swissmem vertritt aber auch die Meinung, dass es den Unternehmen erlaubt sein muss, zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Schweiz alle möglichen Massnahmen zu prüfen. In diesem Sinne haben wir die rechtlichen Ausführungen unterstützt, wie sie z.B. von Prof. Dr. Jean-Fritz Stöckli getätigt werden. Seiner Meinung nach müssen unterschiedliche Löhne in Abhängigkeit des Wohnortes zulässig sein. Dementsprechend seien tiefere Löhne für Grenzgänger nicht nur zulässig, sondern mitunter sogar sachgerecht (BaZ, 31. 8. 11). Als «sachgerecht» erachten wir die Argumentation des betroffenen Unternehmens, dass das Nichtausgleichen des währungsbedingten Gewinns, den die Grenzgänger durch den schwachen Euro erzielen, ebenso gut eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der in der Schweiz wohnhaften Arbeitnehmer darstellt.
Obwohl es im vorliegenden Fall aus Sicht des Gerichts um den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer geht, ist das gemeinsame Ziel von Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Erhalt der Arbeitsplätze in der Schweiz. Es ist unbestritten, dass die Unternehmungen der MEM-Industrie Massnahmen ergreifen müssen, um Arbeitsplätze am Standort Schweiz erhalten zu können. Aufgrund der Frankenstärke befinden sich viele Unternehmen der MEM-Industrie in einer schwierigen Situation. In einer Umfrage der Swissmem vom vergangenen Herbst gaben 36% der Firmen an, operativ Verlust zu schreiben. Zudem sagten 72% der Unternehmen, dass sie sogar mit der Kursuntergrenze von 1.20 nicht ohne weitere, drastische Massnahmen auskommen werden. Um das Unternehmen und damit die Arbeitsplätze sichern zu können, sind die Unternehmungen also gefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Kosten zu optimieren. Eine höhere Kostenflexibilität der Unternehmen würde sich angesichts der aktuellen Frankenstärke auch positiv auf den Arbeitsmarkt in der Schweiz auswirken. Damit würde gleichzeitig auch der Druck zu Arbeitsplatzverlagerungen gemildert.
Mit dem vorliegenden erstinstanzlichen Entscheid hat das Bezirksgericht Arlesheim diesen wirtschaftlichen Aspekten unseres Erachtens leider nicht genügend Rechnung getragen. Dieser Entscheid bewirkt, dass eine der möglichen arbeitsmarktsichernden Massnahmen dahin fällt. Es wird sich zeigen, welche wirtschaftlichen Konsequenzen damit verbunden sein werden.
Für Rückfragen steht Ihnen der Bereich Arbeitgeberpolitik, Herr Andrea Mischa Trüssel (044 384 42 26, <link a.truessel@swissmem.ch>a.truessel@swissmem.ch</link>) gerne zur Verfügung.