Wenn Ann-Katrin Michel über Quantenphysik spricht, leuchten ihre Augen. «Es erklärt, warum wir überhaupt existieren – und warum Medikamente wirken», sagt die Physikerin und Ressortleiterin Technologie bei Swissmem. Für sie ist die Quantenmechanik nicht nur ein faszinierendes Fundament der Physik, sondern auch ein Gamechanger für die Tech-Industrie.
Denn die klassischen Gesetze der Physik reichen nicht aus, um die Stabilität von Atomen oder das Verhalten von Elektronen zu erklären. Hier setzt die Quantenmechanik an – sie beschreibt die Welt im Dualismus aus Teilchen und Welle und quantifiziert Eigenschaften wie Energie als Vielfache, quasi als Pakete. «Warum Atome stabil sind, warum Moleküle Bindungen eingehen – all das basiert auf Quantenmechanik», so Michel. Klingt abstrakt, ist aber längst handfeste Technologie.
Die spannendsten Entwicklungen spielen sich in drei Feldern ab: Quantencomputing, Quantensensorik und Quantenkommunikation. Am meisten Schlagzeilen macht das Quantencomputing. Während klassische Computer Rechnungen nacheinander abarbeiten, nutzen Quantencomputer Qubits, um unzählige Zustände parallel zu verarbeiten. Das eröffnet neue Horizonte: «Wir könnten erstmals quantenphysikalische Gleichungen für Moleküle exakt lösen – ein Riesensprung etwa für die Pharmaforschung.» Auch Logistik, Energiemanagement, Materialentwicklung oder Kryptografie gelten als künftige Einsatzfelder.
Die Quantensensorik setzt auf extreme Empfindlichkeit: Sie ermöglicht Messungen beispielsweise von Magnetfeldern weit über heutige Standards hinaus. Und in der Quantenkommunikation geht es um nichts weniger als absolute Sicherheit. Informationen lassen sich so verschlüsseln, dass jeder Abhörversuch sofort sichtbar wird. «Das macht die Technologie geopolitisch brisant», sagt Michel. Denn sobald ein stabiler Quantencomputer verfügbar ist, könnte er aktuelle Verschlüsselungen in Sekunden knacken – mit Folgen für Banken, Staaten und die Cybersicherheit.
Auch in der Schweiz sind Quanten längst mehr als Forschungsthema. Mit ID Quantique sitzt einer der weltweit führenden Anbieter für Quantenkommunikation in Genf. IBM Rüschlikon forscht am Quantencomputing, die Geräte von Zurich Instruments sind in vielen Quantentechnologielaboren in der Welt vertreten und Zulieferer aus der Photonik liefern essenzielle Bauteile. «Wir haben Hidden Champions und viel Potenzial bei Firmen», sagt Michel. Genau dafür baut Swissmem ein Quantum Industry Network auf – um Akteure zusammenzubringen, Fördermöglichkeiten zu öffnen und Talente zu gewinnen.
Und wer glaubt, Quanten seien reine Zukunftsmusik, irrt: GPS-Systeme etwa beruhen bereits auf quantenmechanischen Prinzipien. «Quantenmechanik begleitet uns längst im Alltag – und sie wird eine Schlüsselrolle für die Tech-Industrie der Zukunft spielen», ist Michel überzeugt.
Michael Perricone
TecTalk - Der Podcast der Schweizer Tech-Industrie
Die Zukunft im Blick? Quantenphysik klingt kompliziert – ist aber der Stoff, aus dem die Zukunft gemacht wird.💡
Erfahren Sie in dieser TecTalk-Folge, wie Quantenphysik ganz praktisch Industrie, Forschung und Sicherheit antreibt. Ann-Katrin Michel von Swissmem erklärt, wo heute schon Quantentechnologien eingesetzt werden und wie auch Ihr Unternehmen profitieren kann.
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