Unternehmen, die in internationalen Infrastrukturprojekten tätig werden wollen, müssen oft politische Instabilität und unerwartete Kostensteigerungen berücksichtigen. Carsten Böhler und sein Team bei der SERV sind Experten, wenn es um komplexe Projektfinanzierungen geht.
Herr Böhler, Sie leiten das Team «Projektfinanzierung und Infrastruktur» bei der SERV. Was heisst das?
Wir beraten, strukturieren und versichern komplexe Infrastrukturprojekte im Ausland.
Welche Grossprojekte stehen dabei im Fokus?
Wir schauen besonders auf den Infrastrukturbereich und auf jene Sektoren, in denen die Schweizer Exportwirtschaft entsprechend stark ist, wie zum Beispiel im Bereich Wasseraufbereitung oder im Mobilitäts- und Schienenverkehrssektor. Für solche Projekte beauftragen Käufer in der Regel Generalunternehmer – sogenannte EPCs, was für «Engineering, Procurement and Construction» steht.
Werden die Projekte von Schweizer Generalunternehmungen (EPCs) ausgefĂĽhrt?
Leider haben wir in der Schweiz kaum noch EPCs, die im Ausland Infrastrukturprojekte umsetzen. Wenn die SERV ein Projekt im Ausland versichern soll, muss das EPC-Unternehmen, oder eine Filiale davon, in der Schweiz angesiedelt sein. Tatsächlich konnten wir durch unser Angebot in der Vergangenheit einige internationale EPCs davon überzeugen, sich in der Schweiz anzusiedeln.
Warum grĂĽndet ein EPC in der teuren Schweiz eine Tochtergesellschaft?
Vorwiegend aus finanziellen Gründen. Um den Projektzuschlag zu bekommen, muss das EPC-Unternehmen oft eine günstige Finanzierung für den Käufer offerieren. Mit einer SERV-Versicherung ist das möglich. Die SERV profitiert indirekt vom AAA-Rating der Eidgenossenschaft. Dank diesem Rating stuft der Kreditgeber das Risiko der SERV auf ein Minimum ein.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Wenn die Bank dem Käufer einen Kredit gibt, prüft sie normalerweise die Bonität des Käufers. Die SERV kann diesen Kredit versichern, sodass das Risiko auf die SERV übergeht. Das indirekte AAA-Rating führt dazu, dass der Käufer günstigere Finanzierungskosten bekommt.
Und wie kommt ein Schweizer KMU zu einem internationalen Auftrag?
Einerseits offeriert der Schweizer Markt attraktive Produkte für EPCs. Andererseits hat die Schweiz den ausgezeichneten Ruf, Projekte «on time» und «in budget» abzuschliessen. Und zusammen mit Schweizer Wirtschaftsverbänden helfen wir dem EPC, die richtigen Unternehmen für das Projekt zu finden und stellen den Kontakt her.
Ist das denn in dieser Konstellation ein sicherer Deal fĂĽr den Schweizer Exporteur?
Absolut. Die SERV fĂĽhrt eine Due-Diligence-PrĂĽfung des Projekts und des EPC durch, bei der wir unter anderem Kreditrisiken und die Einhaltung internationaler Standards prĂĽfen. Und wir arbeiten mit internationalen Banken zusammen, die das Projekt auf Machbarkeit und Umsetzung geprĂĽft haben.
Welchen Tipp geben Sie Exporteuren mit auf den Weg, die neue Märkte erschliessen wollen?
Seien Sie offen für Projektanfragen und neue Märkte mit internationalen EPCs. Verschliessen Sie sich nicht aus Unsicherheit und Unwissenheit vor internationalen Projekten. Es gibt Partner, die Ihnen zur Seite stehen. Ergreifen Sie Ihre Chance, wenn sie sich bietet.
Infrastructure Day 2025
Die SERV, Swissmem und weitere Organisationen gehören zum Team Switzerland Infrastructure, welches Schweizer Unternehmen mit verschiedenen Massnahmen gezielt beim Zugang zu internationalen Grossprojekten unterstützt.
Am Infrastructure Day vom 26. Mai 2025 haben Sie Gelegenheit, das Team Switzerland Infrastructure sowie seine Angebote kennenzulernen.