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«Neuer Lockdown muss verhindert werden»

Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher nimmt im Rahmen des diesjährigen Swissmem Symposiums Stellung zu den aktuellen Herausforderungen, denen sich die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) stellen muss. Die «Technische Rundschau» wollte vorab von ihm wissen, wie er die Lage rund um Corona einschätzt und welche Marschrichtung es für die Branche beim Thema Dekarbonisierung geben kann.

Das Interview führte Wolfgang Pittrich von der «Technischen Rundschau».

Herr Brupbacher, vorab eine Frage, die sicherlich vielen untern den Nägeln brennt: Wie lange denken Sie, wird uns die Covid-19-Pandemie noch beschäftigen?

Stefan Brupbacher: Covid-19 wird uns weiter einschränken, bis eine Impfung vorliegt. Das wird bestenfalls in 12 Monaten der Fall sein. Die wirtschaftlichen Schäden des Lockdowns sind bereits heute enorm und werden in der Industrie erst in den kommenden Monaten vollständig sichtbar. Ein erneuter Lockdown muss deshalb absolut verhindert werden. Hier sind wir alle im Job und im Privatleben gefordert. Zudem werden wir auf Jahre ein politisches Ringen haben: Die seit 2008 politisch dominierende Strömung will noch mehr Staat, höhere Steuern und mehr Protektionismus. Ihr stellen wir uns entgegen: Wir setzen auf technologischen Fortschritt, Unternehmertum und Freihandel. Wir sind überzeugt, dass nur dieser Weg zielführend ist. Das gilt auch für die Bekämpfung des Klimawandels.

Das Motto des diesjährigen Swissmem Symposiums lautet: «Herausforderungen Dekarbonisierung – Lösungen aus der MEM-Industrie». Eine ambitionierte Thematik mit viel Sprengstoff. Denn die Weichen für eine kohlenstofffreie Zukunft müssen heute gestellt werden. Welche Lösungsansätze bietet Swissmem dafür?

Swissmem unterstützt das Netto-Null-Ziel für 2050. Mit den durch Covid-19 verursachten Schuldenbergen und der steigenden Arbeitslosigkeit sollte aber jeder gemerkt haben, dass es ohne Konsum und Wachstum keinen gangbaren Weg zur nachhaltigen Dekarbonisierung gibt. Sonst fehlt das Geld für F&E sowie für Investitionen in neue Technologien. Sie sind der Schlüssel fürs Erreichen des Netto-Null-Ziels. Und die Firmen der MEM-Industrie halten diesen Schlüssel in der Hand.

Wie realistisch schätzen Sie die Verpflichtung des Bundes ein, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren?

Die Swissmem-Mitgliedfirmen haben dieses Ziel bereits erreicht. Damit die ganze Schweiz nachziehen kann, müssen nun die richtigen Entscheide fallen. Erstens sollen die Folgen der Covid-19-Pandemie nicht zur Aufweichung der Klimaziele führen. Zweitens müssen Konsum und Wirtschaft wieder auf Touren kommen. Dafür braucht es keine Konjunkturprogramme, sondern ein rasches Ende des Lockdowns und bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Bessere Rahmenbedingungen stützen die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Das ermöglicht es ihnen, in klimaschonende Technik zu investieren. 

Welchen Folgen könnte eine Umstellung auf eine kohlenstofffreie Wirtschaft konkret für die MEM-Industrie haben? 

Dekarbonisierung bedeutet gleichzeitig Elektrifizierung. Das erfordert massive Investitionen in neue Fahrzeuge, Smart Buildings oder Kreislaufwirtschaft. Das sind alles auch Chancen für die technologisch oft führende, agile MEM-Industrie. Diese Chancen können wir aber nur mit den richtigen Rahmenbedingungen voll nutzen: Deshalb fordert Swissmem die Abschaffung der Industriezölle, neue Freihandelsabkommen und mehr Mittel für die Innovationsförderung. Gleichzeitig lehnen wir Konjunkturprogramme und Angriffe auf die Schuldenbremse ab, weil beides über kurz oder lang die Steuern erhöht.

Können Sie diese Forderungen noch ein wenig präzisieren?

Neue Freihandelsabkommen verbessern die Wettbewerbsfähigkeit der Exportfirmen in den entsprechenden Zielmärkten nur schon durch den Abbau der Zollhürden. Diese sind zum Beispiel in Südamerika oder Indien teilweise prohibitiv hoch. Das eröffnet vor allem für KMU, die nicht vor Ort produzieren können, neue Marktchancen. Bei der Innovationsförderung fordert Swissmem mehr Mittel für die Innosuisse-Instrumente «Projektförderung» und «Innocheck» sowie einen temporären Erlass des Cash-Beitrages der Firmen. Das soll verhindern, dass die Betriebe aufgrund der vielerorts bestehenden Liquiditätsengpässe bei den Innovationsaktivitäten sparen. Denn nur Innovation führt zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und eröffnet neue Marktchancen. Und schliesslich würde die Abschaffung der Industriezölle allein in der MEM-Industrie zu jährlichen Kostensenkungen von 125 Millionen Franken führen. Zudem entlastet es die Firmen von administrativen Aufgaben. Diese Ressourcen können die Firmen intelligenter einsetzen.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat voriges Jahr postuliert, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wirtschaften soll. Für wie realistisch halten Sie dieses Ziel?

Mit technologischer Innovation und dem Verzicht auf ideologische Scheuklappen ist es möglich. Im Gegensatz dazu führen Konsumverzicht und Verbote direkt in die Rezession, zu höheren Steuern und heftigen Verteilkämpfen. So sind wir 2050 nicht klimaneutral, sondern verarmt. Wir müssen die Bevölkerung und vor allem den Mittelstand überzeugen, dass Klimaschutz und Wohlstand nur mit technologischem Fortschritt und freiem Unternehmertum möglich ist. Und dass nur eine starke Industrie in der Schweiz dazu einen zentralen Beitrag leisten kann. Die Industrie will und soll diesen Beitrag leisten.

Zur Person

Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher sieht die Schweizer MEM-Industrie bestens aufgestellt, wenn es darum geht, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.

Mehr dazu erfahren Sie am Swissmem Symposium vom 27. August 2020.
Programm und Anmeldung:
swissmem-symposium.ch.

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Letzte Aktualisierung: 28.07.2020