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Versorgungsicherheit im Winter 2023/24 – das sagen die Energie-Marktpreise

Heute für das nächste Jahr Strom oder Gas beschaffen? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Energiepreise werden von verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt. Zwei Marktanalyse-Spezialisten ordnen die aktuelle Preissituation ein.

An Energiebörsen wie der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig (D) werden sogenannte Terminkontrakte gehandelt, deren Preise die Erwartung verschiedenster Marktteilnehmer über die künftige Angebots- und Nachfrageentwicklung wiederspiegeln. Welche Erzeugungstechnologien produzieren im April 2024 wieviel Strom? Wie sieht es um die Brennstoff-Verfügbarkeiten aus und mit wie vielen Sonnenstunden können wir rechnen? Auf welche konjunkturell und meteorologisch bedingte Nachfrage trifft das vorhandene Angebot? Diese und weitere Einflussfaktoren wirken sich auf die Entwicklung der Energiepreise aus. Andy Sommer, Team Leader Fundamental Analysis & Modelling, Axpo und Laurent Nanzer, Head of Origination Schweiz, Axpo ordnen die aktuelle Preissituation ein. 

Wenn Sie die Energiepreissituation von heute mit jener vor einem Jahr vergleichen: Was ist anders?

Andy Sommer: Die Grosshandels-Strom- und Gaspreise liegen heute auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als vor einem Jahr. Drei Gründe spielen hierbei eine entscheidende Rolle: Zum einen sorgten die Preisanstiege des vergangenen Jahres für einen deutlichen Rückgang der Energienachfrage; gleichzeitig schaffte es Frankreich, die Verfügbarkeit der Kernkraftflotte signifikant zu verbessern, und zu guter Letzt wurden die Gasspeicher in Europa in diesem Jahr als Folge der tiefen Konsumnachfrage und der guten Verfügbarkeit von LNG (Flüssiggas) deutlich früher und stressfreier gefüllt.

Wie angespannt ist die Lage am Strommarkt heute?

Andy Sommer: Grundsätzlich sorgen die genannten Faktoren dafür, dass die Lage derzeit deutlich entspannter ist als noch vor einem Jahr. Dennoch kann vor einem Winter natürlich nie Entwarnung gegeben werden. Die Energienachfrage ist so stark temperaturgetrieben und das Stromangebot sehr stark von der Windverfügbarkeit abhängig, dass eine kalte/windstille Phase das System schon an ihre Belastungsgrenzen bringen kann.

Wie beeinflussen sich die Strom- und Gaspreise gegenseitig?

Laurent Nanzer: Als Teil des europäischen Handelssystems unterliegen die Schweizer Strompreise den gleichen Einflussfaktoren wie die Märkte im Umland. Hier wird Strom massiv von den Preisen am Gasmarkt beeinflusst, da trotz des Ausbaus von Erneuerbaren im überwiegenden Anteil der Stunden eines Jahres Gaskraftwerke laufen müssen, um die europäische Nachfrage zu bedienen. Gleichzeitig wird Gas auch ausserhalb des Stromsektors intensiv genutzt, und mit dem stark erhöhten Bedarf an LNG zur Kompensation der verlorenen russischen Pipeline-Volumen ist Europa abhängig(er) von globalen Entwicklungen im Gas geworden. Beispielsweise sorgt die Wirtschaftskrise in China dafür, dass das Land der Mitte ungenutzte LNG-Lieferungen dem Weltmarkt zur Verfügung stellen kann. Diese Mengen kann Europa dann zu relativ günstigen Preisen einkaufen.

Gleichzeitig beeinflussen natürlich auch die Stromnachfrage und die Verfügbarkeiten von alternativen Erzeugungstechnologien die Nachfrage nach Erdgas, und sind damit preisbeeinflussend.

Welche Beschaffungsstrategie empfehlen Sie den stromintensiven Unternehmen der Schweizer Tech-Industrie?

Laurent Nanzer: Eine flexible Beschaffungsstrategie ist die beste Lösung. Denn tatsächlich sind nicht alle Marktveränderungen vorhersehbar – die sprichwörtliche Kristallkugel hat niemand. Entscheidend ist deshalb, schnell auf Veränderungen reagieren zu können.

Welche Massnahmen sind für Unternehmen im Sinne des Risikomanagements sinnvoll, um mit höheren Unsicherheiten und Volatilitäten an den Energiemärkten umzugehen?

Andy Sommer: Es ist unmöglich, immer den besten Kaufzeitpunkt zu treffen. Ein Beispiel für ein vernünftiges Risikomanagement ist es, den Kauf von Energie in mehrere Tranchen über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Dies führt zwar nicht zum niedrigsten Preis, verhindert aber, dass man den höchsten Preis zahlen muss. Es kann auch interessant sein, einen Höchstwert für den Kaufpreis festzulegen (z.B. auf der Grundlage von Produktionskosten). Dies ermöglicht es, den Markt zu beobachten und Käufe abzuschliessen, bevor der Preis zu hoch ist und die Produktion unrentabel würde.

«Mit dem Wachstum der Erneuerbaren und der hohen Abhängigkeit von LNG werden die europäischen Energiemärkte deutlich komplexer.»

Andy Sommer, Team Leader Fundamental Analysis & Modelling, Axpo

 

Welche Rolle können sogenannte Power-Purchase-Agreement (PPAs) übernehmen, bei denen ein Energieliefervertrag direkt zwischen Produzent und Verbraucher entsteht, der für beide Parteien das Marktpreisrisiko eliminiert?

Laurent Nanzer: Die PPA ermöglichen eine langfristige Preisfestsetzung sowohl für die Produzenten als auch für die Verbraucher. Der Produzent sichert damit die Finanzierung seiner Produktion und der Verbraucher erhält einen festen Preis für ein erneuerbares Produkt, der nicht mehr von Marktschwankungen abhängig ist. Dies erleichtert auch die Budgetierung auf beiden Seiten.

Wohin entwickelt sich der Energiepreis (hoch oder runter) gemäss Axpo-Einschätzung und wie reagiert Axpo darauf?

Andy Sommer: Auch bei der Axpo haben wir leider keine Kristallkugel, um die Zukunft korrekt vorauszusagen. Aus unserer Sicht hängt die Preisentwicklung im kommenden Jahr jedoch zu einem sehr starken Masse von der globalen Nachfrage nach Energie ab. Würden sich die Wirtschaften in Europa und in Asien – wie derzeit weitgehend erwartet – tatsächlich allmählich erholen, könnten die Preise bei ansonsten normalen Witterungsumständen etwas höher als in 2023 ausfallen. Dies ist jedoch sehr von der Konjunktur und dem Wetter in Europa und weltweit abhängig, da dies die Stromnachfrage und das Angebot, sowie auch die Gasspeicherstände beeinflusst.

Power Purchase Agreements (PPA)

Die langfristigen Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPA) sind eines der wichtigsten Wachstumsfelder im Energiesektor. Durch Kürzungen oder Wegfall staatlicher Förderungen und die stark gesunkenen Gestehungskosten bei Neuanlagen – etwa im Bereich der Windkraft oder der Solarenergie – haben sich die PPAs für erneuerbare Energien in weiten Teilen Europas zu einem Megatrend entwickelt. Mit PPAs lassen sich auch ohne Subventionen Projekte für neue Anlagen zur Erzeugung von grünem Strom realisieren, was letztlich die Energiewende insgesamt weiter vorantreibt und den Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Viele Anlagen kämen ohne PPA gar nicht erst zustande.

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Über Axpo

Axpo hat die Ambition, der Gesellschaft mit innovativen Energielösungen eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Axpo ist die grösste Schweizer Produzentin von erneuerbarer Energie und internationale Vorreiterin im Energiehandel und in der Vermarktung von Solar- und Windkraft. Mehr als 6000 Mitarbeitende verbinden Erfahrung und Know-how mit der Leidenschaft für Innovation und der gemeinsamen Suche nach immer besseren Lösungen. Axpo setzt auf innovative Technologien, um die sich stets wandelnden Bedürfnisse ihrer Kunden in über 30 Ländern in Europa, Nordamerika und Asien zu erfüllen. Mehr Informationen

 

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Letzte Aktualisierung: 14.09.2023