Startseite Engagement Innovation «Wir wünschen uns konkrete Aufgabenstellungen aus der Industrie»

«Wir wünschen uns konkrete Aufgabenstellungen aus der Industrie»

Der Einsatz von KI, digitalen Zwillingen und maschinellem Lernen in der Fertigungstechnik stehen im Zentrum der Forschung von Prof. Markus Bambach an der ETH Zürich. Er erklärt, warum Kooperationen mit der Industrie wichtig sind, wo Open Innovation sinnvoll wäre und weshalb er in der Lehre auf der Fertigungszeichnung besteht.

Herr Professor Bambach, welche technologischen Entwicklungen prägen die Fertigung derzeit am stärksten?

Markus Bambach: Die Entwicklungen in Computer Science führen zu tiefgreifenden Veränderungen im gesamten Produktionsumfeld. In der industriellen Fertigung dominieren weiterhin klassische Verfahren wie Zerspanung oder Schleifen. Jedoch werden KI, datenbasierte Optimierung und Automatisierung einen erheblichen Innovationsschub auslösen. Da geht es um Themen wie kürzere Vorlaufzeiten, weniger Ausschuss oder insgesamt intelligentere Prozesse.

Weil wir an der ETH keine industrielle Produktion im grossen Stil betreiben können, nutzen wir additive und hybride Verfahren, um grosse Datenmengen zu generieren und damit die Voraussetzung zu schaffen, uns mit Künstlicher Intelligenz und datengetriebenen Verfahren auseinandersetzen zu können. Für die Anwendung der Methoden in der Industrie sehe ich grosse Chancen in den klassischen Verfahren – hier müssen und möchten wir eng mit der Industrie zusammenarbeiten.

Wie haben sich Ihre Forschungsschwerpunkte in den letzten Jahren verändert?

Ich bin mit einem stark technologieorientierten Profil an die ETH gekommen. Inzwischen liegt der Schwerpunkt bei Maschinellem Lernen und digitalen Lösungen. Wir arbeiten z.B. bereits daran, Large Language Models (LLMs) für industrielle Aufgaben nutzbar zu machen – etwa für die Erstellung von Angeboten, technischen Dokumentationen oder zur Ableitung von Maschinendesigns aus Textinputs.

Ein weiterer wichtiger Bereich sind digitale Zwillinge. Wir entwickeln KI-basierte Ersatzmodelle, die deutlich schneller rechnen als klassische Simulationen und in der Produktionssteuerung eingesetzt werden können. Mehrere Schweizer Unternehmen arbeiten bereits mit uns an solchen Lösungen.

Prof. Bambach ist einer der Keynote-Speaker an der F+E-Konferenz 2026. Die Veranstaltung bietet einen Überblick zu aktuellen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten an Schweizer Hochschulen, Forschungsinstitutionen und Startups.
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Wie können Unternehmen ganz praktisch von Ihrer Forschung profitieren?

Uns ist wichtig, den Einstieg so einfach und unkompliziert wie möglich zu halten. Häufig beginnt die Zusammenarbeit ĂĽber eine Masterarbeit oder einen Innovationsscheck. So lernt man sich kennen und kann erste Fragestellungen unkompliziert klären.

Bei grösseren InnovationssprĂĽngen bietet die Innosuisse-Förderung eine sehr gute Basis. Es gibt aber auch direkt finanzierte Industrieprojekte sowie industriefinanzierte Dissertationen.  Bei allen Kooperationen achten wir selbstverständlich darauf, dass die Verwertungsrechte fĂĽr die Industrieunternehmen klar geregelt sind.

Gibt es Branchen oder Unternehmen, die besonders häufig mit Ihnen kooperieren?

Ja, insbesondere die Werkzeugmaschinenbranche. Dort gibt es mit der inspire AG und unseren Aktivitäten an der ETH ZĂĽrich ein etabliertes Ă–kosystem und eine lange Tradition der Zusammenarbeit. Das Vertrauen ist gross, und Unternehmen schätzen es, dass Studierende und Doktorierende aus diesen Projekten später den Weg in die Industrie finden. 

Welche Rahmenbedingungen wĂĽrden die Zusammenarbeit erleichtern?

Ein grosses Thema sind juristische HĂĽrden – z.B., wenn wir bereits fĂĽr eine Masterarbeit mit einem Unternehmen eine  Geheimhaltungsvereinbarungen oder sogar einen Projektvertrag benötigen. Da sind schnell Rechtsabteilungen involviert. Ich wĂĽrde mir standardisierte Rahmenverträge wĂĽnschen, in mehreren Varianten verfĂĽgbar. Das wĂĽrde den Einstieg gerade auch fĂĽr KMU vereinfachen. 

Unsere Studierenden sind unsere wichtigste Ressource. Es wäre sehr wertvoll, wenn diesbezüglich der administrative Aufwand gering bliebe, damit möglichst viele Abschluss- und Projektarbeiten in Kooperation mit Industriepartnern entstehen können. Auch in der Lehre wünschen wir uns konkrete Aufgabenstellungen aus der Praxis.

Die Förderlandschaft in der Schweiz ist hingegen sehr gut – hier gibt es wenig zu beklagen.

Welche Rolle spielen KMU in Ihren Projekten?

Wir haben mehrere laufende Kooperationen mit Schweizer KMU. Hier sind die Entscheidungswege fĂĽr gemeinsame Projekte häufig kurz und die spätere Umsetzung in den Unternehmen schnell. Wir stellen jedoch fest, dass KMU aus der gleichen Branche oft vor ähnlichen Herausforderungen stehen – teilweise sogar als direkte Marktbegleiter. Statt in einzelnen Projekten parallel Lösungen zu entwickeln, könnten hier vorwettbewerbliche Kooperationen im Sinne von Open Innovation Vorteile bringen: Gemeinsame Plattformen, gemeinsame Basisentwicklungen – und erst ab dem Punkt, an dem spezifische Unternehmensdaten einfliessen, wĂĽrden die Arbeiten getrennt weitergehen. 

Was muss die Schweizer Industrie tun, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben?

Seit Industrie 4.0 geht es um die systematische Nutzung von Daten, um IoT und vernetzte Produktionssysteme. Industrie 5.0 ergänzt diese Perspektive um den Menschen und die Nachhaltigkeit. Inzwischen gibt es schon wieder ganz andere Entwicklungen, die uns umtreiben. Welche Möglichkeiten erschliessen sich mit KI, insbesondere LLM-Modellen? Wie kann man über den Verkauf einer Maschine hinaus digitale Geschäftsmodelle entwickeln?

Wie bereits erwähnt ist die Nachhaltigkeit ein weiteres grosses Thema. Zeit, Qualität und Kosten sind nicht mehr die einzigen Grössen in der Produktion – Emissionen und Ressourcenverbrauch werden zunehmend politisch und regulatorisch eingefordert. Das kann Herausforderung und Chance zugleich sein.

Die Schweiz hat starke Standortvorteile – etwa die Energieversorgung, das Bildungssystem und die ausgrprägte Innovsationskultur –, die unbedingt erhalten bleiben müssen, wenn hochwertige Produktion hier stattfinden soll.

Haben sich die Anforderungen an die Studierenden verändert? 

Wir beginnen in der Fertigungstechnik bewusst sehr traditionell – mit der Fertigungszeichnung. Ingenieurinnen und Ingenieure mĂĽssen diese lesen und erstellen können. Sie ist ein technisches Dokument, ein Vertragsbestandteil, und die Grundlage jeder Produktion. Sie sollte dann auch in der Lage sein, eine Fertigungskette auszulegen, um die jeweiligen Teile nach Vorgaben herzustellen. Hier geht es uns um ein grundlegendes Verständnis der wichtigsten Fertigungsverfahren. Und dann bilden wir Studierende heute natĂĽrlich zunehmend in Maschinellem Lernen, Simulation und Programmierung aus. Die Kombination aus solidem Fundament und digitalen Kompetenzen ist kĂĽnftig mehr und mehr entscheidend. 

Auf was freuen Sie sich an der F+E-Konferenz?

Ich freue mich sehr über die Einladung und die Möglichkeit, mit so vielen Vertreterinnen und Vertretern der Schweizer Industrie in den Dialog zu treten. Für uns ist entscheidend zu verstehen, welche Bedürfnisse die Industrie hat – sowohl für die Ausbildung unserer Studierenden als auch für unsere Forschungsausrichtung.

Gerade im Bereich KI wird es zunehmend schwieriger, industrienahe Forschung zu betreiben, weil uns oft die realen Produktionsdaten fehlen. Wenn es gelingt, Vertrauen aufzubauen und Lösungen zu etablieren, bei denen Daten sicher im Unternehmen bleiben, wir aber dennoch Forschung und Entwicklung unterstĂĽtzen können, entsteht ein grosser Mehrwert. 

 

Zur Person:

Prof. Dr. Markus Bambach ist Ordentlicher Professor fĂĽr Neue Fertigungsverfahren am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH ZĂĽrich. Er studierte Werkstoffwissenschaften an der Universität des Saarlandes, promovierte im Bereich Rapid Prototyping auf CNC Maschinen an der RWTH Aachen. Anschliessend war er mehrere Jahre in leitender Position in der industriellen Forschung und Entwicklung tätig, bevor er 2015 die Professur «Konstruktion und Fertigung» an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) ĂĽbernahm, verbunden mit der GeschäftsfĂĽhrung einer Technologie-Transfer GmbH. Seit 2020 forscht und lehrt er an der ETH ZĂĽrich, wo er sich auf intelligente Fertigungssysteme, datengetriebene Prozessoptimierung sowie die Integration von KI in der Fertigung konzentriert. 

Veranstaltungen und Bildungsangebote

  • NETZWERKVERANSTALTUNG
    29.01.2026

    11. F&E-Konferenz

    Die Plattform fĂĽr Innovation in der Schweizer Tech-Industrie

    In Kurzpitches à 5 Minuten präsentieren Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Startups ihre aktuellen Projekte – prägnant, kompakt und auf den Punkt gebracht. Ergänzt wird das Programm durch eine Posterausstellung mit direktem Austausch und Networking-Möglichkeiten – ideal, um gezielt neue Kooperationen anzustossen.

    Details
    Details 11. F&E-Konferenz

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Letzte Aktualisierung: 20.11.2025