In einem wirtschaftlich anspruchsvollen Umfeld sind Restrukturierungen und Personalentscheide an der Tagesordnung. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Kündigung von langjährigen, älteren Mitarbeitenden dar. Während in der Schweiz grundsätzlich Kündigungsfreiheit herrscht, hat die Gerichtspraxis – allen voran das Bundesgericht – Leitplanken gesetzt, welche Arbeitgeber unbedingt kennen sollten. Eine Missachtung kann teuer werden.
Der Grundsatz: Kündigungsfreiheit gemäss Obligationenrecht
Zuerst die Grundlage: Das Schweizer Arbeitsrecht kennt keinen speziellen Kündigungsschutz aufgrund des Alters. Eine Kündigung ist grundsätzlich jederzeit unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen möglich (Art. 335 OR). Eine Kündigung, die ausschliesslich wegen des Alters ausgesprochen wird, wäre zwar missbräuchlich (Art. 336 OR). In der Praxis erfolgen Kündigungen grundsätzlich jedoch gestützt auf Gründe wie Leistung, Verhalten oder wirtschaftliche Situation.
Die Praxis: Die erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Hier setzt die Gerichtspraxis an. Das Bundesgericht hat über die Jahre eine erhöhte Fürsorgepflicht für Arbeitgeber gegenüber älteren und langjährigen Mitarbeitenden entwickelt. Diese Pflicht konkretisiert, was ein Arbeitgeber tun muss, bevor er eine solche Kündigung ausspricht, damit diese nicht als missbräuchlich eingestuft wird.
Für wen gilt die erhöhte Fürsorgepflicht? Es gibt keine starre Alters- oder Dienstjahresgrenze. Die Gerichte betrachten die Gesamtumstände. Als Faustregel gilt jedoch, dass die erhöhte Fürsorgepflicht greift, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind:
- Höheres Alter: In der Regel ab ca. 55 Jahren.
- Lange Dienstdauer: Üblicherweise ab 10 bis 15 Dienstjahren im selben Unternehmen.
Was beinhaltet die erhöhte Fürsorgepflicht konkret?
Bevor eine Kündigung als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht gezogen wird, muss der Arbeitgeber belegen können, dass er nach Alternativen gesucht hat. Die Gerichtspraxis verlangt einen mehrstufigen Prozess:
- Rechtzeitig informieren: Der Arbeitgeber muss den betroffenen Mitarbeitenden rechtzeitig über die drohende Kündigung und deren Gründe (z.B. Leistungsmängel, geplante Umstrukturierung) informieren.
- Anhören: Dem Mitarbeitenden muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Situation Stellung zu nehmen und eigene Vorschläge einzubringen.
- Lösungen suchen: Dies ist der Kern der Pflicht. Der Arbeitgeber soll aktiv nach alternativen Lösungen suchen. Beispielsweise:
- Prüfung, ob der Mitarbeiter für eine andere Tätigkeit im Unternehmen qualifiziert werden kann.
- Versetzung: Angebot einer anderen, zumutbaren Stelle, allenfalls auch mit geänderten Aufgaben oder einem geringeren Lohn (im Einvernehmen).
- Anpassung des Arbeitsplatzes oder der Aufgaben.
Die Konsequenzen bei Missachtung
Wird die erhöhte Fürsorgepflicht verletzt, ist die Kündigung zwar trotzdem gültig – das Arbeitsverhältnis wird also beendet. Sie kann jedoch als missbräuchlich eingestuft werden.
Die Folge ist eine vom Gericht festzusetzende Pönale (Strafzahlung) gemäss Art. 336a OR. Diese kann bis zu sechs Monatslöhne betragen. Die Höhe hängt von der Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, den Umständen und den Auswirkungen der Kündigung auf den Arbeitnehmer ab.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Um das Risiko einer missbräuchlichen Alterskündigung zu minimieren, empfehlen wir folgende Schritte:
- Rechtzeitige Planung: Identifizieren Sie gefährdete Arbeitsplätze und betroffene ältere Mitarbeitende rechtzeitig.
- Dokumentation: Führen Sie ein detailliertes Dossier. Protokollieren Sie alle Gespräche, Abmahnungen, Leistungsbeurteilungen und vor allem die Suche nach alternativen Lösungen. Die Beweislast liegt bei Ihnen!
- Prozess einhalten: Informieren, anhören, Lösungen suchen.
- Rechtliche Beratung: Holen Sie sich vor dem Aussprechen einer Kündigung gegenüber einem langjährigen, älteren Mitarbeiter rechtlichen Rat ein.
Fazit
Die Gerichtspraxis zur Alterskündigung zeigt deutlich: Es geht nicht darum, ob gekündigt werden darf, sondern wie. Ein sorgfältig dokumentierter Prozess, der die erhöhte Fürsorgepflicht respektiert, ist der beste Schutz vor kostspieligen rechtlichen Auseinandersetzungen.
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