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Anforderungen an einen betriebsinternen Untersuchungsprozess

Die betriebsinterne Untersuchung durch die Arbeitgeberin ist nicht vergleichbar mit einer staatlichen Strafuntersuchung - Aktueller Bundesgerichtsentscheid vom 19. Januar 2024

Kommt es im eigenen Unternehmen zu Zwischenfällen wie physische Auseinandersetzungen, Diebstahl oder Mobbing und ist der Sachverhalt unklar oder beruht auf Vermutungen, findet sich die Arbeitgeberin rasch in der unliebsamen Rolle als interne Ermittlungsbehörde wieder. Ein aktueller Bundesgerichtsentscheid hat nun die bisherigen Anforderungen an den betriebsinternen Untersuchungsprozess etwas gelockert.

Im aktuell beurteilten Fall vom 19. Januar 2024 (BGE 4A_368/2023) wurde dem Arbeitnehmer sexuelle Belästigung vorgeworfen – was zweifellos ein schwerer Vorwurf ist. Die Arbeitgeberin hat gemäss ihren internen Richtlinien und Merkblättern den Sachverhalt untersucht. Die interne Untersuchung wurde durch ein unabhängiges internes Team geleitet und der abschliessende Bericht der internen Disziplinarstelle präsentiert. Die Arbeitgeberin kam zum Schluss, dass der Verdacht begründet und die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zumutbar war, weshalb sie das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt hatte. Der Arbeitnehmer war der Meinung, dass diese Kündigung aufgrund der «Art und Weise» missbräuchlich sei. Er hat der Arbeitgeberin unter anderem vorgeworfen, dass ihm nicht vorgängig mitgeteilt worden ist, worum es im Erstgespräch gehe und dass er ungenügend über die Vorwürfe informiert worden sei. Zudem habe er aufgrund einer internen Regelung ein Anrecht auf Begleitung durch eine Vertrauensperson gehabt und sei nicht auf dieses Recht aufmerksam gemacht worden. Er habe sich daher nicht wirksam verteidigen können und der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei damit verletzt worden.

Das Bundesgericht stellte klar, dass die betriebsinterne Untersuchung eines privaten Arbeitgebers nicht vergleichbar mit einer staatlichen Strafuntersuchung ist. Die strengen Anforderungen und strafprozessualen Verfahrensgarantien hätten keine direkte Wirkung auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Es kam sodann zum Schluss, dass die interne Untersuchung durch die Arbeitgeberin nicht zu beanstanden sei. Die Arbeitgeberin konnte schlüssig aufzeigen, dass der Arbeitnehmer genügend detailliert über die Vorwürfe informiert worden ist, dass er Gelegenheit gehabt hat, die Protokolle im Nachgang zu lesen und zu korrigieren und zudem schriftlich Stellung nehmen konnte. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren besteht gemäss Bundesgericht keine Pflicht der Arbeitgeberin, den Mitarbeitenden vor einem Gespräch zu informieren, worum es geht. Auch das Fehlen einer Vertrauensperson beim Erstgespräch mit dem Arbeitnehmer - selbst wenn es in den internen Richtlinien stehe - sei per se kein so gravierender Mangel, dass er eine Kündigung missbräuchlich machen würde.

Die Arbeitgeberin hat somit nach Meinung des Bundesgerichts den Nachweis erbringen können, dass die ordentliche Kündigung weder leichtfertig noch ohne vernünftige Gründe ausgesprochen wurde und somit nicht missbräuchlich erfolgt ist.

Wir begrüssen diesen Entscheid, zumal er die ohnehin sehr anspruchsvolle Aufgabe und die umfangreichen Anforderungen an eine betriebsinterne Untersuchung durch die Arbeitgeberin vereinfacht.

Swissmem-Mitgliedern gibt Zora Bosshart, Ressortleiterin Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 23 oder z.bosshartnoSpam@swissmem.ch) gerne Auskunft.

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Letzte Aktualisierung: 05.04.2024