Nach rund vierjährigen Sondierungen und Verhandlungen hat der Bundesrat am 13. Juni 2025 das Paket der Bilateralen III in die Vernehmlassung gegeben. Es stellt den bestmöglichen Marktzugang zum EU-Binnenmarkt sicher und schafft eine langfristig tragfähige Basis für die Beziehungen mit der EU. Für die Schweizer Tech-Industrie ist der möglichst hindernisfreie Zugang zum EU-Binnenmarkt, dem mit einem Exportanteil von 55% wichtigsten Absatzmarkt und wichtigen Arbeitskräfte-Pool, zentral. Nach eingehender Prüfung durch die Fachleute der Geschäftsstelle hat der Swissmem Vorstand dem Vertragspaket zugestimmt. Der Beschluss ist an die Bedingung gekoppelt, dass der liberale Arbeitsmarkt gewahrt bleibt.
Institutionelle Neuerungen schaffen mehr Rechtssicherheit
Die Bilateralen III bringen institutionelle Neuerungen: Die dynamische Rechtsübernahme verpflichtet die Schweiz, neue EU-Regelungen bei den bestehenden fünf Binnenmarkt-abkommen (Personenfreizügigkeit, Abbau technischer Handelshemmnisse, Land- und Luftverkehr sowie teilweise Landwirtschaft) sowie dem neuen Stromabkommen zu übernehmen. Die Schweiz kann sich aber im Parlament oder in einer Volksabstimmung gegen eine Rechtsübernahme entscheiden. Wie bei jedem Vertrag, hat das auch hier Ausgleichsmassnahmen zur Folge, die jedoch verhältnismässig sein müssen.
Dabei bringt der neue Streitschlichtungsmechanismus die Schweiz in eine deutlich bessere Position als bisher. Sie kann nun auch selbst auf Augenhöhe gegen Benachteiligungen durch die EU klagen und ist dank des Mechanismus vor Repressionen durch die EU viel besser geschützt als bisher. Schikanen wie der Ausschluss aus den Forschungsprogrammen sind nicht mehr möglich. Die Rolle des Europäischen Gerichtshof ist auf die Auslegung beschränkt, es entscheidet immer das paritätisch zusammengesetzte Schiedsgericht.
PersonenfreizĂĽgigkeit mit Schutzklausel
Auch bei der Personenfreizügigkeit hat die Schweiz in den Verhandlungen viel erreicht. Die Migration bleibt überwiegend auf die Erwerbstätigkeit beschränkt. Die strafrechtliche Landesverweisung ist weiterhin möglich. Auch das Meldeverfahren für wirtschaftlich motivierte Kurzaufenthalte wird bewahrt. Allerdings musste die Schweiz bei der Niederlassungsbewilligung Konzessionen machen, was auch zu mehr Sozialhilfeausgaben führen kann. Umso wichtiger ist erstens die Schutzklausel: Sie erlaubt es der Schweiz, bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen eigenständig eine übermässige Zuwanderung vorübergehend zu beschränken – auch gegen den Willen der EU. Zweitens müssen Bund und Kantone im Asylbereich den Spielraum maximal nutzen und ihn sogar ausweiten.
Lohnschutz-Massnahme 14 gefährdet Akzeptanz des Gesamtpakets
Bezüglich der innenpolitischen Massnahmen haben sich die Sozialpartner bereits im März 2025 auf ein Lohnschutzpaket geeinigt. Die darin enthaltenen Massnahmen 1 bis 13 stellen den Lohnschutzes effektiv sicher, ohne in den liberalen Arbeitsmarkt einzugreifen. Deshalb unterstützt Swissmem das Lohnschutzpaket, solange es im politischen Prozess integral erhalten bleibt. Die vom Bundesrat zusätzlich vorgeschlagene Massnahme 14 zum erweiterten Kündigungsschutz von bis 35’000 gewählten Arbeitnehmervertretern geht hingegen klar zu weit. Sie muss auf ein akzeptables Mass reduziert werden. Swissmem ist bereit, konstruktiv an einer ausgewogenen Lösung mitzuarbeiten.
Horizon Europe stärkt Innovationskraft – Erasmus+ mit zu wenig Mehrwert
Für Swissmem ist die Vollassoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe von grösster Bedeutung. Rund ein Viertel der geförderten Projekte begünstigen Schweizer KMU, die dadurch Zugang zu Know-how, Netzwerken und Innovationsmärkten erhalten. Hingegen lehnt Swissmem eine Beteiligung an Erasmus+ ab. Im Vergleich zur bestehenden Schweizer Lösung ist der Zusatznutzen der Assoziierung angesichts der erheblich höheren Kosten zu bescheiden.
Stromabkommen: mehr Versorgungssicherheit und tiefere Kosten
Das neue Stromabkommen ermöglicht der Schweiz die Anbindung an den europäischen Strombinnenmarkt, stärkt die Versorgungssicherheit und verbessert die Planbarkeit der grenzüberschreitenden Stromflüsse. Für die Schweizer Tech-Industrie ist das Abkommen von strategischer Bedeutung. Es öffnet den Strommarkt – allerdings unter Erhalt der Wahlfreiheit –, erlaubt einen optimalen Einsatz der Wasserkraft und führt tendenziell zu tieferen Strompreisen.
Bilaterale III: Die Vorteile ĂĽberwiegen klar
Die Schweiz hat gut verhandelt und viel herausgeholt. Euphorie ist jedoch fehl am Platz. Die migrationspolitischen Bedenken sind verständlich und müssen im Asylbereich aufgefangen werden. Zudem sind beim Lohnschutz Anpassungen bei Massnahme 14 nötig. Schliesslich haben die Bilateralen III und damit der gesicherte und verbesserte Zugang zum wichtigsten Wirtschafts- und Wertepartner einen Preis: Die Kohäsionszahlungen werden sich über Zeit auf ca. 40 Fr. jährlich pro Einwohner erhöhen. Das ist aber vertretbar.
Fazit: Die Bilateralen III fördern den Wohlstand unseres Landes. Auch die Interessen der exportorientierten Tech-Industrie wurden in den zentralen Bereichen – Marktzugang, Forschung, Stromversorgung und Rechtsklarheit – berücksichtigt. Deshalb überwiegen aus Sicht des Swissmem-Vorstands die Vorteile der Bilateralen III deutlich. Die Parolen zu den jeweiligen Abstimmungsvorlagen wird der Swissmem-Vorstand fassen, nachdem das Parlament das Gesetzgebungspaket verabschiedet hat.
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