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Selbstreflexion

In der aktuell hektischen, schnelllebigen Zeit können sich Situationen sehr rasch ändern und sich oft wie große Pendelbewegungen anfühlen. Informationen über die verschiedensten Kanäle, welche nahezu im Minutentakt auf uns einprasseln, machen die Herausforderung nicht kleiner, im Gegenteil. Umso wichtiger ist, sich ab und zu bewusst dieser Dynamik zu entziehen, einen Schritt zurückzumachen und in die Reflexion zu gehen.

Durch Selbstreflexion können wir unsere Wertvorstellungen, Vorurteile und Denkmuster erkennen, welche - meist unbewusst - unsere Entscheidungen beeinflussen. Die Reflexion hilft und unterstützt dabei, objektivere und fundiertere Entscheidungen zu treffen. Dies vor allem dann, wenn Führungskräfte und Mitarbeitende selbst dieser Dynamik ausgesetzt oder gar Teil davon sind.

Betrachtet man die Selbstreflexion im beruflichen Kontext und im Bezug auf die eigene Rolle als Führungskraft, so ist der bewusste Schritt zurück und in die Reflexion ein ganz wichtiger und wertvoller.

Die Selbstreflexion ist für Führungskräfte aus verschiedensten Gründen von Bedeutung und sollte als wichtiges Selbstführungsinstrument verstanden werden.

Die persönliche Weiterentwicklung: Durch Selbstreflexion können Führungskräfte ihr eigenes Verhalten sowie ihre Stärken und Schwächen erkennen und daraufhin ihre persönliche Entwicklung fördern, was letztlich ihre Führungskompetenzen verbessert.

Anpassungsfähigkeit: Die Selbstreflexion hilft Führungskräften, sich an veränderte und schnell wechselnde Umstände anzupassen, neue Kompetenzen und Strategien zu entwickeln sowie ein besseres Verständnis für die tatsächlichen Einflussbereiche zu erkennen. Konkret kann es hier also sehr hilfreich sein, genau zu wissen, wo Führungskräfte überhaupt Einfluss haben und wo der Einfluss (z.B auf Stufe Gesamtunternehmung) auch sehr begrenzt oder gar ausgeschlossen ist.

Empathie & Authentizität: Selbstreflexion befähigt Führungskräfte, ihre eigenen Werte und Überzeugungen zu klären und im Einklang mit diesen zu handeln. Ebenso ermöglicht Selbstreflexion, sich in die Lage der Teammitglieder zu versetzen, um die Bedürfnisse und Anliegen der Mitarbeitenden besser zu verstehen, indem sie sich in deren Perspektiven versetzen können.

Eigenverantwortung & Selbstführung: Eigenverantwortung erfordert auch Selbstführung. Selbstreflexion hilft Führungskräften dabei, ihre eigenen Motivations- und Energiequellen zu identifizieren und zu verstehen, um die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Dabei ist es auch entscheidend, sich über die sogenannten Energiefresser oder Stressoren bewusst zu werden.

Kommunikation & Konflikte: Durch Selbstreflexion verbessern Führungskräfte ihre Kommunikationsfähigkeiten, indem sie erkennen, wie ihre Botschaften von anderen wahrgenommen werden und wie sie ihre Nachrichten klarer und effektiver vermitteln können. Gleichzeitig ermöglicht ihnen Selbstreflexion, ihre eigene Rolle in Konflikten zu erkennen und zu verstehen, was ihnen hilft, Konflikte konstruktiv anzugehen und zu lösen.

Wir von der Swissmem Academy empfinden das Thema als sehr relevant, weshalb wir es als Kommunikationsschwerpunkt bis Ende Jahr ausgewählt haben. Den Anfang machen wir mit einem Interview. Wir haben mit Rolf Opitz (unter anderem Trainer der Swissmem Academy) gesprochen, welchen Stellenwert das Thema Selbstreflexion für ihn persönlich hat und wie Führungskräfte davon profitieren können.

Über unseren Interviewpartner Rolf Opitz


Ich verfüge über je 15 Jahre Erfahrung als Manager im nationalen und internationalen Anlagenbau sowie als Trainer, Coach und Supervisor für Führungs- und Fachkräfte.
In meinen diversen Positionen im Management habe ich als Dipl. Ing (FH) mit MBA zeitweise mehr als 40 Mitarbeitende in acht Ländern geführt. Ich habe Grossprojekte (bis 30 Mio. Euro) verantwortet und im Multiprojektmanagement bis zu 30 Projekte gleichzeitig geleitet.
Als eidg. diplomierter Coach und Supervisor (bso) und eidg. diplomierter Ausbildungsleiter trainiere und begleite ich seit 2008 Menschen und Unternehmen in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen. Ich bilde Führungskräfte auf unterschiedlichen Niveaus sowie Ausbildungsleitende und Ausbildende aus, leite Supervisionen und begleite Firmen inhouse in Veränderungsprozessen. Zudem entwickle ich Menschen in ihrer Rolle als authentische Führungskräfte in meiner Coaching-Praxis.
Ich wohne mit meiner Partnerin und ihren beiden Kindern im Zürcher Oberland. In meiner Freizeit liebe ich das Velo- und Motorradfahren sowie die Stille im und auf dem Wasser beim Tauchen und Rudern.

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach die Selbstreflexion in der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung bzw. in der Rolle als Führungskraft?

Für mich ist die Selbstreflexion sowohl in der persönlichen als auch in der beruflichen Weiterentwicklung unverzichtbar.

Um sich weiterentwickeln zu können, braucht es wiederholt Standortanalysen und Zielausrichtungen. Man muss wissen, wo man steht und wo man hin will. Dies erschliesst sich einem über die Selbstreflexion. Zusätzlich hilft die Selbstreflexion sich der eigenen Perspektive, Ressourcen, Emotionen, Rollen sowie der Wirkung auf andere bewusst zu werden und ermöglicht diese zu überprüfen.

Gibt es ein konkretes Beispiel aus deiner beruflichen oder persönlichen Erfahrung, bei dem Selbstreflexion eine wichtige Rolle spielte und wie bist du dabei vorgegangen?

Da gibt es einige. Ich war beispielsweise viele Jahre aktiv im Ring-Kampfsport. Wir haben nach Wettkämpfen immer unser Vorgehen, Verhalten und Resultat systematisch reflektiert, egal ob Erfolg oder Misserfolg. Ich habe dabei gelernt, die richtigen Fragen zu stellen. Die regelmässige Selbstreflexion hat wiederholt Erkenntnisse hervorgebracht, welche im nächsten Kampf entscheidend waren.

Als Führungskraft war ich einmal in der Situation, dass ein Mitarbeiter anderen gegenüber eine akute Herzkrankheit erwähnt hat. Dieser Mitarbeiter hätte am nächsten Tag für zwei Wochen nach Pakistan reisen sollen. Ich habe mich in der Selbstreflexion gefragt, wie ich mich fühlen würde, wenn er aufgrund dieser Krankheit auf der Dienstreise ernsthafte Probleme bekäme oder noch schlimmer, mit Folgen davon leben müsste. Es wurde mir klar, dass ich dies nicht verantworten könnte, vor allem, nachdem ich um seine Situation wusste. Ich habe damals entschieden, dass der Mitarbeiter in der Schweiz bleibt und an seiner Stelle ein anderer den Kunden in Pakistan besucht. Diese Entscheidung habe ich zu keinem Zeitpunkt bereut.

Kannst du Beispiele für Führungssituationen nennen, in denen du bewusst deine eigenen Vorurteile und Annahmen reflektiert hast, um objektivere Entscheidungen zu treffen?

Als Projektleiter arbeitete ich unter anderem in Libyen auf Baustellen. Andere Länder, andere Kulturen – auch bei der Arbeit. Es dauerte einen Moment, bis ich die dortige Arbeitskultur verstanden hatte. Ich war gezwungen, meine «europäische Haltung», z.B. in Bezug auf Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Entscheidungswege zu überdenken. Durch Selbstreflexion erkannte ich, wie ich mein Verhalten und Vorgehen anpassen musste, damit ich die Arbeitskulturen «synchronisieren» konnte und wir gemeinsam die gesetzten Ziele erreichen konnten.

Ein anderes Beispiel erlebte ich mit einem Vorgesetzten. Er warf mir vor, zu mitarbeiterorientiert zu sein und zum Nachteil des Unternehmens zu entscheiden. Es gab eine lautstarke Auseinandersetzung. Danach kam es zu einem für mich sehr positiven Gespräch mit dem Geschäftsführer, in dem ich meinen Standpunkt vertreten konnte. Zusätzlich hatte ich ein Reflexionsgespräch mit meinem Coach/Mentor. Seine spezifischen Fragen, z.B. wo ich meine Grenzen ziehe, wie ich diese eindeutig sichtbar mache sowie was ich anderen im Umgang mit mir und meinen Mitarbeitenden erlaube, haben mich ein grosses Stück weitergebracht.

Heute helfen mir diese und andere Erlebnisse, um in meinen Trainings klarzumachen, worum es bei der Selbstreflexion gehen kann.

Wie bist du mit Druck und Stress in der Führungsrolle umgegangen und inwiefern hat Selbstreflexion dir dabei geholfen den Stress besser zu bewältigen?

Druck und Stress habe ich oft erlebt. Selbstreflexion hat mir geholfen zu verstehen, was mich genau stresst an einer bestimmten Situation. So habe ich z.B. herausgefunden, dass Termindruck etwas war, womit ich sehr gut umgehen konnte. Ich plante frühzeitig und schaute, dass die Dinge rechtzeitig erledigt wurden. Was schwieriger für mich war, war z.B., wenn von einem Kunden mehrere Mitarbeitende anriefen und ihr Bedürfnis an mehreren Stellen im Unternehmen deponierten. Dann hatte ich das dringende Bedürfnis, die Kommunikation zu kanalisieren und damit den Druck auf meine Mitarbeitenden rauszunehmen. Nach dieser Erkenntnis (durch Selbstreflexion) beschäftigte ich mich damit, wie ich dem Kunden respektvoll, aber klar mitteilen konnte, dass wir unsere Ressourcen für die Lösung des Problems und nicht für exzessive Kommunikation verwenden wollten.

Welche Schritte unternimmst du, um sicherzustellen, dass deine Selbstreflexion nicht nur selbstkritisch, sondern auch konstruktiv ist?

Ich lebe mit mir selbst das, was ich auch in meinen Kursen zu vermitteln versuche: Stärken weiter stärken und Schwächen zu Stärken machen, z.B. durch Supervision und Coaching. Vera Birkenbihl ist mir hier eine gute Inspiration. Sie hat einmal gesagt, dass die «Schwächen» eines Menschen zugleich sein grösstes Potential bergen. Meist, so sagt sie, ist es kontextabhängig, ob etwas als eine Stärke oder eine Schwäche wahrgenommen wird. Folglich kann man sich in einer Selbstreflexion überlegen, wie man den Kontext, also den Rahmen so verändert, dass aus einer vermeintlichen «Schwäche» eine «Stärke» werden kann. Das ist mein Ansatz, mein Weg, damit die Selbstreflexion gewinnbringend und konstruktiv ist.

Welche Herausforderungen sind dir in Bezug auf die Praxis der Selbstreflexion begegnet, und wie hast du diese überwunden?

Eine Selbstreflexion ist nichts, was man mal eben nebenbei macht. Es braucht Aufmerksamkeit, Raum und Zeit. Manchmal ist es eine Herausforderung, sich darauf einzulassen. Manchmal weiss man selbst gar nicht, dass man sich einen Sachverhalt anschauen sollte. Erst durch Hinweise von anderen stösst man auf ein Thema.

Wir sind Menschen und bewegen uns in komplexen Systemen, welche Einfluss haben auf uns, unsere Tagesform, unsere Konzentration, unsere Energie etc. Viele Tage sind durchgeplant und vollgestopft. Deswegen halte ich es für sinnvoll, Zeitfenster für Selbstreflexion zu planen und einzuhalten. Mir selbst hilft dies, an meiner Weiterentwicklung dranzubleiben. Denn aus meiner Sicht ist Selbstreflexion keine einmalige Sache, es ist vielmehr ein lebenslanger Prozess.

Wie unterstützt du als Trainer von Führungskräften die Selbstreflexion in der Rolle als Trainer?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen leite ich immer wieder bewusst in die Reflexion. Ich stelle entsprechende Fragen, stelle Hypothesen auf und lasse die Teilnehmenden diskutieren. Oft gebe ich Themen in die Gruppe um gemeinsam nach neuen Möglichkeiten (meist auf der Verhaltensebene) zu suchen. Wenn dann eine praktikable Lösung vorliegt, sage ich, dass wir gerade gemeinsam reflektiert haben. Diese Variante kommt sehr gut an.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass ich Beispiele und Herausforderungen der Teilnehmenden aufgreife. Ich frage in meiner Rolle als Trainer nach Hintergründen, vermittle Techniken für die Problemlösung und zeige deren Nutzen auf. Ich begleite die Teilnehmenden im Prozess und helfe ihnen ein individuelles Vorgehen zu finden und die Resultate zu interpretieren. Auch hier lege ich anschliessend offen, wie die Reflexion vor sich gegangen ist.

Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeitenden und Kollegen in Bezug auf Selbstreflexion unterstützen? Hast du spezielle Praktiken oder Routinen, die du empfiehlst?

Auf der einen Seite spricht hier natürlich der professionelle Coach und Supervisor in mir, der sagt, dass es fachkundige Anleitung braucht. Auf der anderen Seite kenne ich etliche Beispiele, die das Gegenteil beweisen!

Selbstreflexion kann nicht angeordnet werden. Insofern ist die wirksamste Methode, die Mitarbeitenden an Selbstreflexion heranzuführen, mit Begeisterung von den eigenen Erfahrungen und dem eigenen Nutzen zu erzählen. Das könnte im positiven Sinne «ansteckend» wirken und wenn man den Mitarbeitenden dann noch den erforderlichen Raum und die Zeit für regelmässige Reflexionsmöglichkeiten gibt, wer weiss …?

Insgesamt ermöglicht Selbstreflexion Führungskräften, sich selbst besser zu verstehen, effektiver zu führen und eine positive Arbeitsumgebung für ihre Teams zu schaffen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der persönlichen und beruflichen Entwicklung von Führungskräften.

In unseren Weiterbildungsangeboten legen wir grossen Wert darauf, Platz für Selbstreflexion zu schaffen und diese zu thematisieren. Haben auch Sie persönlich Interesse an einer Weiterbildung oder sind Sie auf der Suche nach passenden Aus- und Weiterbildungen für Ihre Mitarbeitenden? Verschaffen Sie sich hier einen Überblick über unsere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
 

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Letzte Aktualisierung: 23.10.2023, Pascal Giger