Gesetzliche Grundlage zum Arbeitszeugnis
Gemäss Art. 330a OR kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Dabei soll das Arbeitszeugnis auf der einen Seite das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und auf der anderen Seite für einen zukünftigen möglichen Arbeitgeber eine möglichst getreue Darstellung der beruflichen Fähigkeiten, der Leistung und des Verhaltens beinhalten.
Grundsatz der Wahrheit des Arbeitszeugnisses
Das Arbeitszeugnis muss gemäss Bundesgericht (BGE 129 III 177 E.3.2 a. E) und Lehre den allgemeinen Grundsatz der Wahrheitspflicht erfüllen. Das ist gegeben, wenn nach dem Verständnis eines unbeteiligten Dritten das Arbeitszeugnis wirklich den Tatsachen entspricht (BGE 4C.60/2005 vom 28.04.2005 E.4.1). Einzelne Vorkommnisse und Fehlleistungen von Arbeitnehmenden dürfen demnach nur aufgeführt werden, wenn sie erheblich oder regelmässig auftreten und für das Verhalten oder die Leistungen des betroffenen Arbeitnehmers relevant sind. Auf der anderen Seite dürfen negative Ereignisse, die zutreffend sind, durch Hinweise auf Tatsachen belegt werden können und für die Gesamtbeurteilung des Mitarbeitenden relevant sind, erwähnt werden (GR: KG 25.10.1999, JAR, S. 229 und GE: CAPH 02.06.1999, JAR 2000, S. 287).
Im Zusammenhang mit der Wahrheitspflicht hat das Arbeitsgericht Luzern entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der oft Auseinandersetzungen mit seinen Arbeitskollegen gehabt hatte, nicht verlangen kann, als von seinen Arbeitskollegen «sehr geschätzt» beschrieben zu werden. Der Ausdruck «geschätzt» wurde als ausreichend betrachtet (LU: ArbG Luzern 21.02.189, JAR 1990, S. 215). Weiter kann der Arbeitnehmende nicht verlangen, dass seine Leistungen als «à notre entière satisfaction» bewertet werden, wenn er dies nicht nachweisen kann (BGE 4A_117/2007 und 4A_127/2007 vom 13.09.2007 E.7.1). Zuletzt sei noch bemerkt, dass ein Arbeitszeugnis, das weder Vermögensdelikte des Arbeitnehmers zum Nachteil des Arbeitgebers noch die nachfolgende fristlose Kündigung erwähnt, unvollständig ist und nicht der Wahrheit entspricht (OW: KG Pdt 21.05.1997, SARB 1998, S. 357).
Grundsatz des wohlwollenden Arbeitszeugnisses
Das ausgestellte Arbeitszeugnis muss dem Grundsatz der Wahrheitspflicht genügen, aber es muss auch wohlwollend sein. Es soll nämlich nicht unnötigerweise die wirtschaftliche Zukunft des Arbeitnehmers beeinträchtigen (ZH: ArbG 27.03.1992, Plädoyer 5/1992, S. 59). Wie bereits erwähnt, heisst dies jedoch nicht, dass das Zeugnis keine negativen und kritischen Beurteilungen enthalten kann (JAR 2003, S. 269ff.). Anderseits beinhaltet das Gebot des Wohlwollens, dass relativ bedeutungslose Details oder einmalige negative Ereignisse, die nicht charakteristisch für die betroffene Arbeitnehmerin oder den betroffenen Arbeitnehmer sind, nicht erwähnt werden, obwohl sie der Wahrheit entsprechen.
Vorrang des Prinzips der Wahrheit
Obwohl bei der Formulierung eines Arbeitszeugnisses beide Grundsätze berücksichtigt werden müssen, hat gemäss ständiger Rechtsprechung und Lehre der Grundsatz der Wahrheit eindeutig den Vorrang. Das Wohlwollen findet nämlich immer seine Grenzen an der Wahrheitspflicht (BGE 136 III 510 E.4.1). Der Arbeitgeber ist demnach dazu verpflichtet, über sämtliche einstellungsrelevanten Umstände (Leistungen, Verhalten usw.) zu berichten, um zukünftige Arbeitgeber vor unwahren Angaben zu schützen und Fehlentscheidungen bei den Anstellungen zu vermeiden.
Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung im Entscheid AGer ZH 2024 Nr. 1
Im Entscheid des Arbeitsgerichtes Zürich 2024 Nr. 1 musste sich das Gericht mit einer Zeugnisänderungsklage auseinandersetzen. Dabei forderte der Arbeitnehmer die Streichung des Kündigungsgrunds, in diesem Fall die Nichtbefolgung der damals verhängten Covid-Massnahmen.
Das Arbeitsgericht nutzte die Gelegenheit, um sich zu den Grenzen des Wohnwollens zu äussern. So führte das Gericht u.a. aus, dass sich reine Gefälligkeitszeugnisse nicht mit dem Wohlwollensgrundsatz rechtfertigen lassen. Das bedeutet, dass einem durchschnittlichen Arbeitnehmer kein herausragendes Arbeitszeugnis ausgestellt werden darf, nur um dessen beruflichen Fortschritt zu fördern. Anderseits dürfen die Wahrheitspflicht und der darin enthaltene Vollständigkeitsgrundsatz nicht dazu führen, dass über jedes Detail informiert werden muss.
In Anbetracht der oben dargelegten Gründe entschied das Arbeitsgericht, dass der vom Arbeitgeber erwähnte Kündigungsgrund rechtens war. Geht es nämlich um die Erwähnung eines für die Kündigung ausschlaggebenden Grundes, der die grundsätzliche Eignung eines Arbeitnehmers betrifft, eine zukünftige Arbeitsstelle zu besetzen, so muss der Arbeitgeber um nicht selber haftbar zu werden, diesen Grund im Schlusszeugnis erwähnen.
Swissmem-Mitgliedern gibt Marcel Marioni, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 09 oder m.marioninoSpam@swissmem.ch) gerne Auskunft.
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