Traditionsgemäss eröffnet Swissmem-Präsident Martin Hirzel den offiziellen Teil des Symposiums und ordnet die aktuellen – wenig erfreulichen – Konjunkturzahlen der Tech-Industrie ein. Seit neun Quartalen in Folge befindet sich die Branche im Abwärtstrend. Da kommen die jüngsten US-Zölle zur Unzeit. Für die Unternehmen heisst das: Neuorientierung ist Pflicht – auch beim Schwerpunktthema Mobilität, das von neuen Technologien und Konzepten geprägt ist. Diversifikation und operative Agilität werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Wenn Wirtschaftsprognosen schwierig sind: Denken in Szenarien
Die wechselhafte US-Zollpolitik dämpft Investitionen und bremst den Welthandel. Eine rasche Entspannung sei nicht in Sicht, so Claude Maurer, Chefökonom BAK Economics. Zölle dürften die Agenda weiter bestimmen. Sein Rat: Unternehmen sollten in Szenarien denken, um nicht «auf dem linken Fuss» erwischt zu werden. Das heisst u.a. Risiken dort gezielt reduzieren, wo es möglich ist – etwa durch Währungsabsicherungen oder vertragliche Zollklauseln.
Deutschlands Werkzeugmaschinenbranche im Wandel
Dr. Markus Heering, Geschäftsführer Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), richtete den Blick nach Deutschland. Die traditionell enge Verzahnung von Automobil- und Werkzeugmaschinenindustrie hat die Branche stark gemacht, setzt nun aber unter Druck. Elektromobilität stellt das etablierte Antriebssystem infrage, asiatische Anbieter drängen mit neuen Ansätzen auf den Markt, und die gesellschaftliche Bedeutung des Autos nimmt ab. Der einst wichtigste Absatzmarkt verschiebt sich – mit spürbaren Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette.
«China Speed» ist das neue Schlagwort
Prof. Thomas Sauter Servaes (ZHAW) zeigte, wie chinesische Tech-Konzerne mit beispielloser Geschwindigkeit in den hart umkämpften Automobilmarkt vorstossen. Der Schlüssel liegt im konsequenten Fokus auf Digitalisierung: Software wird zum Differenzierungsmerkmal, Fahrzeuge werden zum Produktionspreis verkauft, verdient wird mit digitalen Services. Dieser Strategiewechsel setzt etablierte Hersteller unter Innovationsdruck.
Aus der Sackgasse mit einem neuen Ă–kosystem
Helmut Ruhl CEO AMAG Group AG, erläuterte die Strategie seines Unternehmens im Transformationsprozess der Automobilbranche. AMAG baut ein Ökosystem auf Basis erneuerbarer Energien über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – mit Fokus auf Elektromobilität, kombiniert mit Solarenergie, sowie auf Kooperationen mit starken Schweizer Partnern. Die positiven Geschäftszahlen bestätigen den eingeschlagenen Weg.
Resiliente Antwort auf technologische und geopolitische Unsicherheit
Die Reishauer AG ist stark auf die Automobilindustrie ausgerichtet und hat sich mit ihrem Know-how im Zahnradschleifen eine quasi monopolähnliche Stellung in einer Nische erarbeitet. CEO Markus Setterberg betonte Resilienz als Leitprinzip: Anpassungen an globale Marktverschiebungen – etwa den Trend in China hin zu lokalen Herstellern – sind unerlässlich. Marktführerschaft allein genügt nicht; entscheidend ist zusätzlicher Kundennutzen. Reishauer investiert dafür in disruptive, softwaredefinierte Produkte und KI-basierte Servicelösungen, die Effizienz steigern und die Zusammenarbeit mit Kunden vertiefen.
Mit begrĂĽndeter Zukunftsfreude nach vorn
Prof. Pero Micic, FutureManagementGroup AG, plädierte für ein glaubwürdiges, positives Zukunftsbild als Orientierungsanker in unsicheren Zeiten. Trotz Krisen eröffnen technologische Sprünge enorme Chancen – getrieben von günstiger, regenerativer Energie und einer nachhaltig werdenden Mobilität. Zukunftssichere Unternehmen zeichnen sich durch eine klare, gesellschaftlich wirksame Mission, die Arbeit an grossen realisierbaren Chancen sowie Geschäftsmodelle aus, die Kundenbindung, Produktivität und Differenzierung stärken. Als Werkzeug für die Strategiearbeit stellte er das Eltviller Modell mit den fünf «Zukunftsbrillen» vor, das hilft, Chancen, Risiken und Massnahmen systematisch abzuleiten.
Fertigungstrends aus wissenschaftlicher Perspektive
Prof. Vanessa Wood, Vice-President ETH Zürich, skizzierte zentrale Trends der Fertigung mit Blick auf die Mobilität: High-Mix/Low-Volume erfordert mehr Automatisierung und digitale Nachrüstung, Metrologie und strukturierte Daten sollen Prozesse nicht nur steuern, sondern gezielt verbessern; Materialkomplexität und «Smart Materials» nehmen zu, und Circularity und Recycling gewinnen strategisch an Gewicht. Chancen liegen in dynamisch wachsenden Bereichen wie Energie (u. a. dünne Mehrschicht-Beschichtungen für Batterien), Defense (Dual-Use, Resilienz, modulare Technologien) und Space. Sie lud die anwesenden Unternehmensvertreterinnen und -vertreter ein, in Kontakt zu treten und die verschiedenen Kollaborationsformate der ETH zu nutzen.
Humanoide Roboter: Erwartungen erden, Potenziale nutzen
Jacque Lemire, Vice-Chairman des AGMA Emerging Technology Robotics Committee, stellte die Diskrepanz zwischen ambitionierten Marktprognosen und der Realität stark kontrollierter, teils teleoperierter Pilotprojekte heraus. Treiber wie KI, Sensorik und Batterietechnologie treffen auf Hürden wie Robustheit, Systemkomplexität, Normen/Regulierung, Kosten, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Seine Empfehlung: Humanoide Roboter als Baustein der Produktivität strategisch einplanen und Prozesse anpassen – als Ergänzung, nicht als 1:1-Ersatz für Menschen.
«Made in Switzerland» braucht verlässliche Partner
Den Schlusspunkt setzte Oliver Dürr, CEO Rheinmetall Air Defence AG, als pragmatischer Industrievertreter mit Fokus auf die aktuelle Realität: Die Rüstungsindustrie steht nicht mehr im Schatten, sondern im Rampenlicht. Mit seinem Bekenntnis zum Standort Schweiz verknüpft er Erwartungen an die Zulieferer. Es braucht verlässliche Partner, die Qualität liefern und Risiken mittragen – nur so lassen sich technologisch hochkomplexe Produkte dauerhaft erfolgreich anbieten.