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Voraussetzungen einer gültigen Kündigungserklärung

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, stellt sich oft die Frage, wie die Kündigungserklärung zu erfolgen hat, damit der Arbeitnehmende sie unmissverständlich als Kündigung versteht. Das Bundesgericht hat sich diesbezüglich vor einigen Monaten geäussert.

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis kann verschiedentlich enden: durch ordentliche oder fristlose Kündigung, durch einen Aufhebungsvertrag oder durch den Tod einer Vertragspartei. Gemäss Art. 335 Abs. 1 OR ist eine Kündigung eine einseitige empfangsbedürftigte Willenserklärung einer Vertragspartei, mit der diese eine Rechtsänderung herbeiführen will (BGE 113 II 259). Wenn im Einzelarbeitsvertrag, in den allgemeinen Arbeitsbedingungen des Unternehmens, im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrages oder eines Normalarbeitsvertrages keine besondere Formvorschrift (wie zum Beispiel die Schriftform) vorgesehen ist, kann eine Kündigung grundsätzlich formfrei erfolgen.

Empfangsbedürftigkeit und Eindeutigkeit der Kündigungserklärung

Eine Kündigung erfolgt durch die sogenannte Kündigungserklärung. Diese ist auf der einen Seite empfangsbedürftig, das heisst, sie muss in den Machtbereich des Empfängers gelangen. Dies geschieht, wenn unter normalen Umständen damit gerechnet werden darf, dass ein sich korrekt verhaltender Arbeitnehmende davon Kenntnis nimmt. Gemäss BGE 4C.414/2004 vom 31.01.2005 gilt eine Kündigung ebenfalls als zugestellt, wenn deren Annahme vom Empfänger ausdrücklich verweigert wird.

Auf der anderen Seite muss die Kündigungserklärung eindeutig und klar sein. Der Wille der kündigenden Partei sowie der genaue Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen für die anderen Vertragspartei unmissverständlich und klar erkennbar sein (BGE 135 III 441 E.3). Dabei wird die Kündigungserklärung nach dem sogenannten Vertrauensprinzip ausgelegt, das heisst, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben gemäss Art. 2 ZGB verstehen durfte und musste (KGer ZG in JAR 1987 S. 196).

Zuletzt sei noch bemerkt, dass diejenige Partei, die das Arbeitsverhältnis beenden will, allfällige Konsequenzen von widersprüchlichen oder unverständlichen Kündigungserklärungen tragen muss.

Bisherige Praxis und Rechtsprechung zur Eindeutigkeit der Kündigungserklärung

Keine eindeutige und klare Kündigungserklärung wurde angenommen, als die kündigende Vertragspartei dem Arbeitnehmenden lediglich einen Protokollauszug zustellte, aus dem sich ergab, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte und ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen würde. Als Gestaltungsrecht ist die Kündigung nämlich unmissverständlich an die betroffene Person zu richten. Dass im vorliegenden Fall die betroffene Person nach Erhalt des Protokollauszuges keinen Widerspruch erhoben hatte, berechtigte nicht zur Annahme, dass die Kündigung gültig zustande gekommen war (KGer AR in JAR 1999 S. 220).

Ebenfalls nicht als Kündigung angenommen, wurden Aussagen wie: «Jetzt muss ich Sie entlassen» (KGer NW in NW 1993-96 S. 90) oder eine SMS mit dem Wortlaut «Grüezi, Ihre Kündigung ist unterwegs» (JAR 2007 S. 453 E. 3.a.). Diese Äusserungen sind lediglich Kündigungsabsichten, die jedoch nicht eindeutig den eigentlichen Kündigungsakt darstellen.

Auch Bemerkungen eines Arbeitnehmenden, wonach er vorhabe die Kündigung einzureichen (AppG BS vom 23.11.1992 in JAR 1994, S. 200) oder eine E-Mail mit dem Inhalt «… sehe ich leider keinen Sinn mehr für die Firma xy weiterzuarbeiten» (ArG ZH Entscheide 2010 Nr. 13) sind keine gültigen Kündigungserklärungen, sondern blosse Mitteilungen von Kündigungsabsichten.

Eine besonders unmissverständliche und klare Kündigungserklärung wurde vom Bundesgericht im Entscheid BGE 4A_37/2010 vom 13.04.2010 E. 4.2 für die Annahme einer fristlosen Kündigung im Sinne von Art. 337 OR verlangt. Dabei ging es um eine, im Rahmen eines aus dem Ruder gelaufenen Mitarbeitergesprächs, mündlich ausgesprochene fristlose Kündigung, die vom Bundesgericht infolge fehlender Bestimmtheit lediglich als vorübergehende Freistellung betrachtet wurde.
 

Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGer 4A_479/2021 vom 29. April 2022

Im Urteil des BGer 4A_479 / 2021 vom 29. April 2022 befasste sich das Bundesgericht mit einer ordentlichen Kündigung. Diese sprach der Arbeitgeber zuerst am 2. August 2017 per E-Mail  mit dem Betreff «Ihre Briefe – Stellungnahme und Vertragsende» aus. Im E-Mail hiess es «… ich muss Ihnen mitteilen, dass Sie bis morgen eine Kündigung erhalten werden…». Danach, am Abend des gleichen Tages, versandte der Arbeitgeber einen eingeschriebenen Brief mit dem Titel «Ihre Kündigung zum 30. August 2017» und den Worten «Hiermit bestätige ich Ihre Entlassung mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten…». Der Arbeitnehmende erhielt das eingeschriebene Kündigungsschreiben am 3. August 2017. Da bis am 2. August 2017 eine krankheitsbedingte zeitliche Sperrfrist lief, stellte sich die Frage, ob bereits die E-Mail vom 2. August 2017 als Arbeitgeberkündigung zu betrachten war oder, ob erst die Kenntnisnahme des eingeschriebenen Kündigungsschreibens durch den Mitarbeitenden am 3. August 2017 als eigentliche Kündigung betrachtet werden musste.

Das Gericht bestätigte die bereits in BGE 135 III 441 E. 3 dargelegte Rechtsprechung und führte zur Kündigung aus, dass diese eine einseitige Willensbekundung sei, mit der eine Vertragspartei erkläre, das Arbeitsverhältnis von sich aus beenden zu wollen. Die Kündigungserklärung müsse zwingend den Kündigungswillen klar und frei von Unklarheiten zum Ausdruck bringen. Dabei sei zunächst zu prüfen, was der Wille des Erklärenden gewesen sei und ob dieser vom Empfänger richtig verstanden wurde. Kann ein solcher Wille nicht festgestellt werden oder wurde er von der anderen Vertragspartei nicht als solcher verstanden, so sei zu ermitteln, welcher Sinn der Vertragspartner ihm nach dem Vertrauensprinzip geben konnte (BGer 4A_479/2021 vom 29. April 2022 E. 4.1).

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass im konkreten Fall die E-Mail vom 2. August 2017 («Ich muss Ihnen mitteilen, dass Sie bis morgen ein Kündigungsschreiben erhalten werden») nicht objektiv als Kündigung interpretiert werden könne, da es sich nicht um eine (vorzeitige) Ausübung des Rechts auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelte, sondern bloss um die Mitteilung einer Absicht zur Kündigung (BGer 4A_479/2021 vom 29. April 2022 E. 4.4). Die am Abend des 2. April 2017 per Einschreiben zugesendete schriftliche Kündigung enthielt hingegen eine klare und deutliche Kündigungserklärung. Darüber hinaus war Letztere gültig, da der Arbeitnehmende die Kündigung am 3. August 2017 in Empfang genommen hatte, also einen Tag nach Ablauf der krankheitsbedingten zeitlichen Sperrrist im Sinne von Art. 336c Abs. 1 lit. b OR.

Haben Sie noch Fragen? Swissmem-Mitgliedern gibt Herr Marcel Marioni, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 09 oder m.marioninoSpam@swissmem.ch) gerne Auskunft.

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Letzte Aktualisierung: 20.10.2022