Auch der Besuch von Bundespräsident Guy Parmelin bei der EU in Brüssel Ende April hat leider keine Fortschritte in den schwierigen Verhandlungen gebracht. Das Ausbleiben eines Verhandlungsergebnisses bis zum 26. Mai dieses Jahres oder gar ein Scheitern hätte in vielen Bereichen der Schweizer Wirtschaft unangenehme Folgen. Die wohl weitreichsten und am schnellsten eintretenden Konsequenzen hätte dies für die Schweizer Medtech-Branche.
Neue Medizinprodukterichtlinie MDR gekoppelt ans Rahmenabkommen
Am 26. Mai 2021 tritt in der EU die neue Medizinprodukterichtlinie MDR (Medical Device Regulation) in Kraft. Die Aktualisierung dieser Richtlinie ist von Seiten der EU gekoppelt an den erfolgreichen Abschluss des Rahmenabkommens. Das Ausbleiben einer Einigung mit der EU würde die Schweiz diesbezüglich rechtlich in eine Drittstaatsituation bringen, was das regulatorische Ausscheiden der Schweizer Medtech-Branche aus dem EU-Binnenmarkt zu Folge hätte.
Tritt diese Situation ein, hat das zwei wichtige Konsequenzen für Medtech-Unternehmen, die in die EU exportieren:
- Ab dem 26. Mai 2021 brauchen in die EU exportierende Medtech-Unternehmen einen EU-Bevollmächtigen mit Sitz in der EU.
- Benannte Stellen (Notified Body) aus der Schweiz bekommen keine MDR-Akkreditierung und Schweizer Zertifizierungen erlauben keinen automatischen Zugang zum EU-Binnenmarkt mehr, da die Äquivalenz nicht mehr gegeben ist.
In Folge ist der Zugang zum wichtigsten Exportmarkt für Schweizer Medizinprodukte mit deutlich grösserem regulatorischen und rechtlichen Aufwand verbunden. Zusätzlich stehen mit dem EU-Bevollmächtigten neue Haftungsfragen im Raum. Darüber hinaus entstehen durch diese Anforderungen zusätzliche Kosten, was die Wettbewerbssituation für Schweizer Unternehmen verschlechtert.
Die nach der alten Medizinprodukterichtlinie MDD zugelassenen medizintechnischen Produkte bleiben allerdings auf dem EU-Binnenmarkt mit einer Übergangsfrist weiter vermarktbar, jedoch bis spätestens Mai 2024.
Mögliche Folgen für den Schweizer Medtech-Markt
Oft wenig Beachtung finden die Konsequenzen für den inländischen Medtech-Markt. Es entstehen neue Kosten für Medizinprodukte in der Schweiz, welche durch die Zulassung, Marktüberwachung und allenfalls notwendige Studien verursacht werden. Das könnte zu einem Anstieg der Krankenkassenbeiträge führen. Zudem kann das den Schweizer Markt speziell im Hinblick auf seine geringe Grösse sowohl für ausländische als auch inländische Produzenten von Medtech-Produkten unattraktiv werden lassen. Nicht zuletzt wird die Wahl des Standorts von innovativen Start-ups in der Medizintechnik stark durch die Grösse und die regulatorische Einheitlichkeit eines Markts beeinflusst.
Weitere Schritte von Swissmem
Swissmem plant die Durchführung eines Webinars, um betroffene Unternehmen zu den wichtigsten Aspekten und Konsequenzen zu informieren. Das Veranstaltungsdatum ist noch offen. Interessierte Unternehmen können sich aber gerne bereits jetzt bei Barbara Tanner, b.tannernoSpam@swissmem.ch melden; sie erhalten dann direkt weitere Informationen zum Webinar, sobald diese verfügbar sind.
Die verantwortlichen Ressortleiter unserer Industriesektoren werden dieses Thema an den Komiteesitzungen und Gruppenversammlungen traktandieren. Selbstverständlich dürfen Sie sich mit Ihren Fragen jederzeit an die zuständigen Personen wenden.
Gerne steht Ihnen auch Nicolas Degen, Ressortleiter Innovation, n.degennoSpam@swissmem.ch für die Beantwortungen von Fragen zur Verfügung.