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Mögliche Aufhebung von Formvorschriften bei einer Kündigung

Wenn für die Aussprechung einer Kündigung die Schriftform vereinbart wurde, stellt sich die Frage, was bei Nichteinhalten dieser Formvorschrift geschieht. Ein kürzlich publiziertes Bundesgerichtsurteil gibt Antwort.

Gemäss Art. 335 Abs. 1 OR ist bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag die Kündigung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung einer Vertragspartei, mit der diese eine Rechtsänderung herbeiführen will (BGE 113 II 259). Dafür sieht das Gesetz keine Kündigungsvorschriften vor, sodass die Kündigung grundsätzlich formfrei, also schriftlich, mündlich, telefonisch, per Brief, E-Mail, SMS oder per Whats-App erfolgen kann. Auch eine Kündigung durch konkludentes Verhalten ist denkbar. Allerdings könnte in einem solchen Fall die Beweisbarkeit, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts, Probleme aufwerfen.

Vereinbarung der Schriftform für die Kündigung

Es ist möglich, im Einzelarbeitsvertrag, in den allgemeinen Arbeitsbedingungen des Unternehmens, im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrages oder eines Normalarbeitsvertrages Formvorschriften vorzusehen (z.B. Schriftform oder die Notwendigkeit der Aussprechung der Kündigung mittels eingeschriebenen Briefes).

Folgen der Nichteinhaltung der Schriftform

Hat die Kündigung gemäss Vertrag schriftlich zu erfolgen, so ist dies in analoger Anwendung von Art. 16 OR nicht bloss eine Beweisvorschrift, sondern wie in BGE 128 II 212 E. 2b bestätigt, eine Gültigkeitsvoraussetzung. Demnach hat die Nichteinhaltung dieser Formvorschrift die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge. Die Vereinbarung einer bestimmten Versandart zur Rechtswahrung und Konkretisierung der Erklärung, wie z.B. die Kündigung mittels eingeschriebenen Briefs mit Empfangsbestätigung, hat hingegen lediglich Beweisfunktion und ist daher keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Kündigung (CCiv NE 25. September 1997, RJN 1997, S. 126).

Neue Rechtsprechung zu einer allfälligen Aufhebung der vereinbarten Schriftlichkeit

Im Entscheid 4A_129/2022 vom 27. Oktober 2022 befasste sich das Bundesgericht mit einer ordentlichen Kündigung, die in der falschen Form erfolgte. Dabei hatte der betroffene Arbeitnehmende die Formungültigkeit erst einen Monat nach der ordentlichen Kündigung und nach Beizug eines neuen Anwaltes geltend gemacht.

Im erwähnten Entscheid führte das Bundesgericht aus, dass die Parteien für die Kündigung die schriftliche Form vereinbart hatten und dass die ausgesprochene Kündigung die Voraussetzungen der eigenhändigen Unterschrift nicht erfülle. Jedoch habe der Arbeitnehmende bzw. seine erste Rechtsvertreterin schriftlich den Erhalt der Kündigung bestätigt und die Formwidrigkeit nicht gerügt. Damit sei die Kündigung mittels konkludenten Verhaltens akzeptiert worden, was die vereinbarte Formvorschrift aufhebe. Die durch die zweite Rechtsvertreterin einen Monat später erfolgte Geltendmachung der Formungültigkeit der Kündigung stellt gemäss Bundesgericht ein widersprüchliches Verhalten dar, das mit den Regeln von Treu und Glauben gemäss Art. 2 Abs. 1 ZGB nicht vereinbar sei. Die gegenteilige Auffassung würde den Parteien die Möglichkeit entziehen, durch konkludentes Verhalten die im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehung vereinbarten Formvorschriften wieder zu ändern. Wäre die Aufhebung mittels konkludenten Verhaltens nicht möglich, würden alle Verträge, bei denen die Formvorschriften durch konkludentes Verhalten aufgehoben wurden, nichtig.  Einzig bei jenen Verträgen, die gemäss Art. 12 OR zwingend in einer bestimmten Form abgeschlossen werden müssen, sei die Aufhebung dieser Formvorschriften der Parteidisposition entzogen.

Das Bundesgericht wies somit die Klage des Arbeitnehmenden ab, bestätigte den Entscheid der kantonalen Vorinstanz und somit die Gültigkeit der vom Arbeitgebenden ausgesprochenen ordentliche Kündigung.

Swissmem-Mitgliedern gibt Marcel Marioni, Ressortleiter Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 09 oder m.marioninoSpam@swissmem.ch) gerne Auskunft.

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Letzte Aktualisierung: 26.09.2023