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Bedenkfrist bei einer Änderungskündigung: Aktuelle Rechtsprechung

Das Bundesgericht hatte sich für einmal nicht mit den Gründen einer Änderungskündigung auseinanderzusetzen, sondern mit der Bedenkfrist, die der Arbeitnehmerin zur Annahme eingeräumt wurde (BGE 8C_637/2022 vom 2. Juni 2023).

Bei einer Änderungskündigung unterbreitet in aller Regel die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer eine Offerte für einen neuen Arbeitsvertrag. Sofern der Arbeitnehmer die neuen Vertragsbedingungen nicht annehmen will oder kann, wird das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist beendet. Es handelt sich ebenfalls um eine Änderungskündigung, wenn zuerst eine Kündigung ausgesprochen wird und umgehend danach ein neues Vertragsangebot unterbreitet wird.  

Im konkreten Fall wurde der Arbeitnehmerin gekündigt und eine Bedenkzeit für die Annahme einer neuen Vertragsofferte (unter anderem Reduktion Stellenpensum um 60% sowie Lohnreduktion) bis am 30. Juni 2016 eingeräumt. Kurz vor Ablauf der Frist (27. Juni), teilte die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mit, dass ihre Stellenbewerbung nicht mehr berücksichtigt werde. Just am selben Tag teilte die Arbeitnehmerin in einem Brief der Arbeitgeberin mit, dass sie die Stelle antreten möchte. 

Das Bundesgericht weist in seinem Urteil darauf hin, dass sich die Missbräuchlichkeit einer Kündigung nicht nur aus dem Kündigungsgrund ergeben könne, sondern auch aus der Art und Weise, wie das Kündigungsrecht ausgeübt werde (E.7.4.). Indem die Arbeitgeberin die Bedenkfrist nicht abgewartet habe, habe diese ein doppeltes Spiel gespielt und damit in charakteristische Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen («un double jeu, contrevenant de manière caractéristique au principe de la bonne foi.» (E.7.4 in fine). 

Die Argumentation der Arbeitgeberin, gar nicht mehr an das Angebot gebunden zu sein, da die Arbeitnehmerin darauf verzichtet habe, erachtete das Bundesgericht als nicht stichhaltig. Dass die Arbeitnehmerin mit dem Pflichtenheft zuvor nicht einverstanden gewesen sei und auch Nachfragen betreffend Lohnreduktion gestellt habe, stelle zwar ein Hinweis auf die Ablehnung der Stelle dar, jedoch könne aus diesen Handlungen im vorliegenden Fall keine definitive Ablehnung abgeleitet werden, insbesondere da die Arbeitnehmerin dann das Angebot am 27. Juni angenommen habe. 

Sofern also eine Bedenkzeit für ein Angebot eingeräumt wird, ist man an dieses Angebot bis zur klaren Ablehnung oder Gegenofferte des Empfängers rechtlich gebunden. Dieser Bindungswirkung kann mit einem schriftlichem Widerrufs- oder Rückzugsvorbehalt begegnet werden. 

Aufhebungsvereinbarung – Was ist eine angemessene Bedenkfrist? 

Arbeitsverhältnisse können im gegenseitigen Einvernehmen der Parteien mit einer Vereinbarung sofort oder auf einen bestimmten Termin beendet werden. 

Sofern die Arbeitgeberin den Stein ins Rollen bringt, mit anderen Worten der Arbeitnehmerin ein Vorschlag für eine Aufhebungsvereinbarung unterbreitet, sollte dieser eine entsprechende Bedenkzeit oder auch Widerrufsfrist eingeräumt werden. 

Die Idee ist, dass sich die Arbeitnehmerin in Ruhe Gedanken über das Angebot machen und weitere Abklärungen über allfällige Auswirkungen und Folgen treffen kann. Die Arbeitgeberin wiederum, muss in einem Streitfall nachweisen können, dass sie die Arbeitnehmerin bei ihrer Entscheidung nicht unter Druck gesetzt hat resp. diese zum Zeitpunkt der Unterzeichnung nicht überrumpelt hat – wovon bei einer angemessenen Überlegungsfrist ausgegangen werden darf.  

Weder das Gesetz noch die Rechtsprechung sagt uns genau, was als angemessene Überlegungsfrist gilt. Es müssen immer die Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden – je einschneidender die Auswirkungen der Aufhebungsvereinbarung oder je komplexer diese ist, desto eher muss eine längere Bedenkfrist eingeräumt werden. 

Dass jedoch auch eine relativ kurze Bedenkzeit ausreichend sein kann, zeigt uns ein neuerer Entscheid des Bundesgerichtes vom September 2022 auf (8C_176/2022): 

Einem Arbeitnehmer wurde in einem persönlichen Gespräch mit der Arbeitgeberin verschiedene Verfehlungen vorgeworfen und erklärt, dass eine Zusammenarbeit mit ihm schwierig geworden sei. Es wurde ihm eine Aufhebungsvereinbarung vorgeschlagen und eine Bedenkfrist von 2 Tagen eingeräumt. Der Arbeitnehmer verlangte im selben Gespräch eine Klarstellung zu den Vorwürfen und konkrete Änderungen, wonach ihm zwei zusätzliche Monatslöhne eingeräumt wurden. Er akzeptierte den Vorschlag und unterzeichnete die Vereinbarung.  

Der Arbeitnehmer machte wenige Tage später einen Mangel an seiner Willensbildung geltend und dass ihm keine ausreichende Bedenkzeit eingeräumt worden sei. 

Das Bundesgericht entschied in seinem Urteil, dass angesichts der Verhandlungen und Diskussion über die Inhalte der Vereinbarung sowie die Annahme des Gegenvorschlags des Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin, nicht ersichtlich sei, dass die Bedenkzeit nicht ausreichend gewesen wäre oder dass der Arbeitnehmer überrumpelt worden sei. Zudem seien die Zugeständnisse beider Seiten in der Vereinbarung ausgewogen gewesen und beide Parteien hätten in ausgeglichener Weise Vor- und Nachteile in Kauf genommen. 

Wenn also beide Parteien in die Verhandlungen über eine Vereinbarung eingetreten sind und dabei ein ausgewogener Vergleich zustande gekommen, ist auch eine Bedenkzeit von nur 2 Tagen ausreichend. 

Swissmem-Mitgliedern gibt Zora Bosshart, Ressortleiterin Bereich Arbeitgeberpolitik (044 384 42 23 oder z.bosshartnoSpam@swissmem.ch), gerne Auskunft.

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Letzte Aktualisierung: 27.10.2023